Theodor Fontane
1819 - 1898
Am Abend des Tages, da er den letzten Brief an seine Frau geschrieben, kommt der
Tod zu dem 78 jährigen Fontane. Er kommt, wie er ihn immer gewünscht hatte:
schnell, „ ohne Feierlichkeit“. –
Frisch, gut gelaunt, speist Fontane zu Abend. Geht darauf ins Nebenzimmer. Hier
findet ihn – zwei Minuten später – seine Tochter: tot über das Bett gelehnt.
Ein Herzschlag hatte diesen bis zuletzt jungen Dichter aus vielen Plänen und
Entwürfen gerissen.
Theodor Fontane, geb. 30. Dezember 1819, gest. 2o. September 1898.
– An seine Frau.
Berlin, d. 20. September 1898.
Meine liebe Frau.
Dies sind nun also die letzten Zeilen, übermorgen Mittag dürfen wir Dich
erwarten. Es freut mich, daß Du dies Zusammensein mit Deiner alten Freundin noch
haben konntest. Unsere gestrigen zweite Gesellschaft verlief ebenfalls zufrieden
stellend, weil alle voll guten Willens waren.
Daß dieser so oft fehlt, daran scheitern so viele Gesellschaften. Zu den
Haupttugenden, die Z’s und wir in alter Zeit vertraten, gehörte diese absolute
gesellschaftliche Zuverlässigkeit. Die meisten machen sich ein Vergnügen daraus,
wenigsten den einen oder anderen zu ärgern. Mit Metas und meinem befinden ist
es“ so, so“: man arbeitet am Trapez immer weiter und leistet dasselbe wie andre,
aber es fehlt – einzelne Momente abgerechnet, wo einen Witz oder eine
Skandalgeschichte erheitert – die rechte Freudigkeit, weil die Kräfte nicht
ausreichen. Das prädominierende Gefühl bleibt doch immer: „ lägst du nur erst
wieder im Bett. “ Bei mir ist dies Gefühl so stark, daß selbst meine berühmten
Artigkeit zusammenbricht und ich mir sage: „ wird dir das und das übel genommen,
nun so auch gut!“ Es ist vielleicht eine kleine Tugend, von dem Urteil der
Menschen abhängig zu sein, aber bequemer haben es die Rüpel, denen all’ so was
ganz gleichgültig ist.
Gestern Mittag ging ich eine Stunde spazieren und traf P.; er erzählte mir vom
Tode seiner Frau und welchen „ goldenen Humor“ sie gehabt habe; er sei ganz
gebrochen, alles habe jedes Interesse für ihn verloren, auch sein Geschäft, und
dabei weinte er beständig. Er sei, um sich’ rauszureißen, in England gewesen und
habe mit zwei englischen Nichten seiner Frau eine Reise nach Schottland gemacht.
Die jüngere sei heiter und ausgelassen und habe den „ goldenen Humor“ seiner
Frau; die ältere, die jetzt bei ihm sei, sei aber ernster. Ich glaube, es war
ganz aufrichtig in seiner Trauer, und doch habe ich nie so stark den Eindruck
gehabt: „ dieser Trauende wartet das Trauerjahr nicht ab“ ; einer der beiden
Nichten muß es werden. Wohl die mir dem „goldenen Humor“ seiner Frau. So geht
es. Und die Witwen sind noch flinker als die Witwer! -
Empfiehl mich allerseits aufs herzlichste, besonders Tante Johanna.
Wie immer Dein
Alter