GRIMM JAKOB
1785 - 1863
Der Schöpfer der deutschen
Sprach – und Altertumswissenschaft, der Verfasser der „Deutschen Grammatik“, der
„Deutschen Mythologie“, des „Deutschen Wörterbuchs“ ,der „ Deutschen
Rechtsaltertümer“ und „ Weistümer“ und ( im Verein mit seinem Bruder Wilhelm)
Sammler und Herausgeber der „ Deutschen Sagen“ und der „ Kinder und
Hausmärchen“, wurde in Hanau geboren.
Von Kindheit auf verband ihn die innigste Freundschaft mit seinem um ein Jahr
jüngeren Bruder Wilhelm, und in einzigartiger Treue teilten sie Schicksal und
schöpferische Tätigkeit unter stetiger Zusammenarbeit. Wir bringen einen Brief
des dreizehnjährigen Jacob an die Mutter von der Reise der Brüder nach Kassel,
wo sie in Kost und Schule gegeben wurden, und einen Brief des zwanzigjährigen an
Bruder Wilhelm aus Paris, wo Jacob vorübergehend mit literarischen Arbeiten
beschäftig war.
ERSTER BRIEF
Kassel den 30ten September 1798
Liebe Mutter
Gestern Mittag um 12 Uhr sind wir glücklich hier angekommen. Ich muß Ihnen doch
ein wenig unsre Reise erzehlen. Von Hanau aus kamen wir in Frankfurt vorigen
Dienstag gegen 10 Uhr an, wir sahen uns dort ein wenig um und gingen hernach
nach dem Hainerhoff, wo Hr. Oberpostmeister Küppel wohnte. er war aber nicht zu
haus wir gingen aber um 12 Uhr wieder hin und setzten uns ein wenig vor das
Posthaus. er kam hernach selbst und nahm uns mit hinauf um mit ihm zu essen und
zwar recht fröhlich, dann trunken wir mit ihm Caffe und er nahm uns nach diesem
mit und ließ uns allerhand wilde Thiere, Elefanten, Tiger, Papageyen Affen und
noch viele andere, die damals just in Frankfurt waren sehen es kostete auch
Geld, er bezahlte aber vor uns; auch ließ er uns etliche 50 Wachsfiguren, die
ganz natürlich waren, und Kleider anhaten, sehen es waren die jetzige Kaiser,
Könige Generale und noch andere, es war recht schön. Des Abends musten wir
wieder mit ihm essen wir giengen hernach in ein Wirtshaus um uns schlafen zu
legen weil er uns nicht logiren konnte. Den Morgen um 6 Uhr gieng der Postwagen
fort er gabe uns noch ein Billet mit an die Postmeister um uns auf Befehl des
Hrn. Vizekanzler Kunkel zu rekomandiren aber sie waren allemal auf jeder Station
nicht, und wir konnten es also nicht brauchen, auch den Paß forderten uns die
Franzosen nicht ab. Wir haben nur ein einzigmahl zu Mittag gegessen weil es so
theuer war nehmlich vor die Person 48xr. Wir hatten meist Kaufleute zu
Reisegefährten.
Hier gefällt mir es recht gut und die Tante ist auch Sie hat uns schon Seidne
Geldbeutel 4 schöne Kalenderchen und sonst noch allerhand gegeben. Sie will uns
auch Nachtcamisoelen machen lassen wir haben auf der Reise ausgegeben 7 f. 42 xr.
Und haben über 14 f. 18xr.
Das andere wird der Wilhelm wohl geschrieben haben.
Die Frau Volbrecht, der Hr. Stroh, die Wilhelmine Hr. und Frau Sauer lassen sich
Ihnen bestens empfehlen. Was machen dann die Brüder und die gute Pänny? Strickt
sie mir denn bald einen Strumpf? Die Lichterformen werden sie wohl von dem Kreuz
bekommen haben Grüße Sie doch alle Bekannte und behalte Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn
Jacob Ludwig Karl
Grimm
N. S. Ich habe mein Blat nicht ganz voll geschrieben wie der Wilhelm aber ich
schreibe viel enger. Der Wilhelm hat mir einen Flecken darauf gemacht. o! . .
BRIEF AN WILHELM
Paris 12ten Juli 1805
Lieber, lieber Wilhelm!
Ich habe Deinen am 24.v. geschlossenen Brief erst heute vor einigen Stunden
erhalten und die Zeit her ziemlich auf Briefe gewartet. Indessen war er so
reichhaltig, als Du schwerlich einen von mir bekommen dürftest. -
Die liebe Mutter wird, wenn Du den Brief erhältst, bald in Cassel sein, es kommt
mir so lieb vor, daß sie mit der Schwester allein diese Reise macht, um zu ihren
andern Kindern zu kommen.
Wie gern wäre ich da in Cassel, wie wünsche ich daß sie nun noch recht lange und
vergnügt bei uns leben möge!
Gott segne sie und die Tante für ihre Liebe zu uns; unsre Liebe kommt mir
schwach gegen diese vor, ob ich gleich weiß, daß die meinige nicht stärker sein
kann.
Meine Gedanken über mein Examen, Anstellung rc. Habe ich eben der Tante
geschrieben, mag’s also hier nicht noch einmal. Ich weiß nicht, ich habe in
manchen Dingen einen Leichtsinn, der unrecht ist, denn ich aber durchaus nicht
besiegen kann, so könnte ich mich jetzt nicht mit Staats -, Privatrecht rc.
Abgeben, und zu solchen Sachen muß mir das Wasser bis an den Hals gehen, ehe ich
sie angreife.
Was mich am meisten in deinem Brief gefreut, das sind die Goethische Sachen. –
Freilich wäre es gut, ja nöthig, daß wir auch die übrigen Winkelmannischen
Briefe u. a. S. bekämen.
Im Buchhandel wird wenig mehr sein, die Geschichte der Kunst ist 1764 in zwei
Quartanten ( der zweite sehr schwach) in Dresden bei Walther gedruckt, die
Hauptbriefsammlung ist von Datzdorf. Man muß sich dabei auf Auktionen verlassen.
Ich denke, wenn wir auf diese Art fortfahren ( denn daß es auf einen Plan
ankommt, ist gewiß wahr -) so werden wir einmal hübsche Werke sammeln es
versteht sich, daß wir in Zukunft etwas mehr daran wenden können und immer
zusammenvereinigt, - denn lieber Wilhelm, wir wollen uns einmal nie trennen, und
gesetzt, man wollte einen anderswohin thun, so müsste der andre gleich aussagen.
Wir sind nun diese Gemeinschaft so gewohnt, daß mich schon das Vereinzeln zum
Tode betrüben konnte. –
Doch damit das nicht zu rührend wird, will ich Dir nur sagen, daß wir uns rasch
um Auktionskataloge bemühen wollen, denn ohne das ist es unmöglich, mit wenigem
etwas zu leisten. Wäre hier der Transport nicht, so könnte man in einigen
Fächern sich eine herrliche Bibliothek um ein Spottgeld anschaffen, aber der
Centner kostet bis Frankfurt wenigstens 1 Carolin. So habe ich gestern Petrarchs
lateinische Schriften ( ein bischen Foliant), alte Venediger Ausgabe von 1502
oder 3, mit gemalten Unzialen, gut gehalten, - gesehen, wofür man 5 livres
fordert, - so ein Buch ist geschenkt, wenn ich hier bleibe, und mein Herz blutet
mir oft dabei. Inzwischen ist’ s in Deutschland oft nicht viel anders. Viele von
des Vaters Büchern muß man aus der Hand verkaufen, ja nicht verauctionieren. -
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aus; Jugendbriefe berühmter Männer/ Verlag " Die Buchgemeinde Berlin 1924
Ausgewählt und eingeleitet von dr. Joh. Rohrn
LETZTER BRIEF
An ernst Wilhelm Fürstemann
Berlin 7 september 1863
Lieber Freund,
vorigen Monat war ich ein paar wochen auf dem Harz zu Suderoda, konnte es aber
nicht so einrichten, dasz ich auf der rückreise Wernigrode berührt hätte, wo
Ihnen lange schon ein besuch zugedacht war.
von mir selbst ist nichts zu melden, als dasz ich leidlich gesund bin und ruhig
fortarbeite. das alter hat mir schwerhörigkeit zugeführt, die doch leicht zu
ertragen ist, da ich nie eines umgangs mit vielen leuten bedürftig war und mich
gern auf wenigen beschränke.
Sie haben mir von zeit zu zeit druckbogen zugehen lassen, aus denen ich sehe,
dasz Sie mit den namensuntersuchungen noch vielseitigbeschäftig sind. es ist
auch ein überreiches feld, dem sich erstaunliches abgewinnen läszt. ich schicke
Ihnen hier meine einzeige eines reinhartbuches,2) worin ich über Iamgrim und
Fraval einiges neue vortrage 3) ; Ihre vorliebe ist zwar auf die örtlichen namen
gewandt, doch werden Sie auch den männernamen die alte theilnahme nicht
entziehen. Es wäre jetzt an der zeit und geboten, von der zeit an, wo Ihr
namenbuch endigt wieder aufzunehmen und die eigennamen der mittleren zeit zu
verzeichnen, in den urkunden steckt eine menge, zumal der lebendigsten bürger
und bauernamen. aber Sie werden keine lust tragen zu neuen sammlungen, ein
anderer müste sich dafür entscheiden.
Freundlich grüszend
Ihr ergebenster Jac. Grimm
__________
2) Jonckbloet, " Etudes sur le roman de Renarl" Groningen 1863
3) Vgl. Kleinere Schriften 5, 460, 461.
Literatur; Briefe der Gebrüder Grimm Gesammelt
von Hans Gurtler Nach dessen Tode herausgegeben und erläutert von Albert
Leitzmann / Verlag der Frommnanschen Buchhandlung ( Walter Biermann ) Jena
1923
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