BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 




 

GRIMM JAKOB

1785 - 1863



Der Schöpfer der deutschen Sprach – und Altertumswissenschaft, der Verfasser der „Deutschen Grammatik“, der „Deutschen Mythologie“, des „Deutschen Wörterbuchs“ ,der „ Deutschen Rechtsaltertümer“ und „ Weistümer“ und ( im Verein mit seinem Bruder Wilhelm) Sammler und Herausgeber der „ Deutschen Sagen“ und der „ Kinder und Hausmärchen“, wurde in Hanau geboren.
Von Kindheit auf verband ihn die innigste Freundschaft mit seinem um ein Jahr jüngeren Bruder Wilhelm, und in einzigartiger Treue teilten sie Schicksal und schöpferische Tätigkeit unter stetiger Zusammenarbeit. Wir bringen einen Brief des dreizehnjährigen Jacob an die Mutter von der Reise der Brüder nach Kassel, wo sie in Kost und Schule gegeben wurden, und einen Brief des zwanzigjährigen an Bruder Wilhelm aus Paris, wo Jacob vorübergehend mit literarischen Arbeiten beschäftig war.

ERSTER BRIEF

Kassel den 30ten September 1798

Liebe Mutter

Gestern Mittag um 12 Uhr sind wir glücklich hier angekommen. Ich muß Ihnen doch ein wenig unsre Reise erzehlen. Von Hanau aus kamen wir in Frankfurt vorigen Dienstag gegen 10 Uhr an, wir sahen uns dort ein wenig um und gingen hernach nach dem Hainerhoff, wo Hr. Oberpostmeister Küppel wohnte. er war aber nicht zu haus wir gingen aber um 12 Uhr wieder hin und setzten uns ein wenig vor das Posthaus. er kam hernach selbst und nahm uns mit hinauf um mit ihm zu essen und zwar recht fröhlich, dann trunken wir mit ihm Caffe und er nahm uns nach diesem mit und ließ uns allerhand wilde Thiere, Elefanten, Tiger, Papageyen Affen und noch viele andere, die damals just in Frankfurt waren sehen es kostete auch Geld, er bezahlte aber vor uns; auch ließ er uns etliche 50 Wachsfiguren, die ganz natürlich waren, und Kleider anhaten, sehen es waren die jetzige Kaiser, Könige Generale und noch andere, es war recht schön. Des Abends musten wir wieder mit ihm essen wir giengen hernach in ein Wirtshaus um uns schlafen zu legen weil er uns nicht logiren konnte. Den Morgen um 6 Uhr gieng der Postwagen fort er gabe uns noch ein Billet mit an die Postmeister um uns auf Befehl des Hrn. Vizekanzler Kunkel zu rekomandiren aber sie waren allemal auf jeder Station nicht, und wir konnten es also nicht brauchen, auch den Paß forderten uns die Franzosen nicht ab. Wir haben nur ein einzigmahl zu Mittag gegessen weil es so theuer war nehmlich vor die Person 48xr. Wir hatten meist Kaufleute zu Reisegefährten.
Hier gefällt mir es recht gut und die Tante ist auch Sie hat uns schon Seidne Geldbeutel 4 schöne Kalenderchen und sonst noch allerhand gegeben. Sie will uns auch Nachtcamisoelen machen lassen wir haben auf der Reise ausgegeben 7 f. 42 xr. Und haben über 14 f. 18xr.
Das andere wird der Wilhelm wohl geschrieben haben.
Die Frau Volbrecht, der Hr. Stroh, die Wilhelmine Hr. und Frau Sauer lassen sich Ihnen bestens empfehlen. Was machen dann die Brüder und die gute Pänny? Strickt sie mir denn bald einen Strumpf? Die Lichterformen werden sie wohl von dem Kreuz bekommen haben Grüße Sie doch alle Bekannte und behalte Sie lieb


Ihren gehorsamen Sohn

Jacob Ludwig Karl
Grimm


N. S. Ich habe mein Blat nicht ganz voll geschrieben wie der Wilhelm aber ich schreibe viel enger. Der Wilhelm hat mir einen Flecken darauf gemacht. o! . .

 


BRIEF AN WILHELM

Paris 12ten Juli 1805

Lieber, lieber Wilhelm!
Ich habe Deinen am 24.v. geschlossenen Brief erst heute vor einigen Stunden erhalten und die Zeit her ziemlich auf Briefe gewartet. Indessen war er so reichhaltig, als Du schwerlich einen von mir bekommen dürftest. -

Die liebe Mutter wird, wenn Du den Brief erhältst, bald in Cassel sein, es kommt mir so lieb vor, daß sie mit der Schwester allein diese Reise macht, um zu ihren andern Kindern zu kommen.
Wie gern wäre ich da in Cassel, wie wünsche ich daß sie nun noch recht lange und vergnügt bei uns leben möge!
Gott segne sie und die Tante für ihre Liebe zu uns; unsre Liebe kommt mir schwach gegen diese vor, ob ich gleich weiß, daß die meinige nicht stärker sein kann.
Meine Gedanken über mein Examen, Anstellung rc. Habe ich eben der Tante geschrieben, mag’s also hier nicht noch einmal. Ich weiß nicht, ich habe in manchen Dingen einen Leichtsinn, der unrecht ist, denn ich aber durchaus nicht besiegen kann, so könnte ich mich jetzt nicht mit Staats -, Privatrecht rc. Abgeben, und zu solchen Sachen muß mir das Wasser bis an den Hals gehen, ehe ich sie angreife.
Was mich am meisten in deinem Brief gefreut, das sind die Goethische Sachen. – Freilich wäre es gut, ja nöthig, daß wir auch die übrigen Winkelmannischen Briefe u. a. S. bekämen.
Im Buchhandel wird wenig mehr sein, die Geschichte der Kunst ist 1764 in zwei Quartanten ( der zweite sehr schwach) in Dresden bei Walther gedruckt, die Hauptbriefsammlung ist von Datzdorf. Man muß sich dabei auf Auktionen verlassen. Ich denke, wenn wir auf diese Art fortfahren ( denn daß es auf einen Plan ankommt, ist gewiß wahr -) so werden wir einmal hübsche Werke sammeln es versteht sich, daß wir in Zukunft etwas mehr daran wenden können und immer zusammenvereinigt, - denn lieber Wilhelm, wir wollen uns einmal nie trennen, und gesetzt, man wollte einen anderswohin thun, so müsste der andre gleich aussagen. Wir sind nun diese Gemeinschaft so gewohnt, daß mich schon das Vereinzeln zum Tode betrüben konnte. –

Doch damit das nicht zu rührend wird, will ich Dir nur sagen, daß wir uns rasch um Auktionskataloge bemühen wollen, denn ohne das ist es unmöglich, mit wenigem etwas zu leisten. Wäre hier der Transport nicht, so könnte man in einigen Fächern sich eine herrliche Bibliothek um ein Spottgeld anschaffen, aber der Centner kostet bis Frankfurt wenigstens 1 Carolin. So habe ich gestern Petrarchs lateinische Schriften ( ein bischen Foliant), alte Venediger Ausgabe von 1502 oder 3, mit gemalten Unzialen, gut gehalten, - gesehen, wofür man 5 livres fordert, - so ein Buch ist geschenkt, wenn ich hier bleibe, und mein Herz blutet mir oft dabei. Inzwischen ist’ s in Deutschland oft nicht viel anders. Viele von des Vaters Büchern muß man aus der Hand verkaufen, ja nicht verauctionieren. -
 


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aus; Jugendbriefe berühmter Männer/ Verlag " Die Buchgemeinde Berlin 1924
Ausgewählt  und eingeleitet von dr. Joh. Rohrn

 

LETZTER BRIEF


An ernst Wilhelm Fürstemann

Berlin 7 september 1863

Lieber Freund,

vorigen Monat war ich ein paar wochen auf dem Harz zu Suderoda, konnte es aber nicht so einrichten, dasz ich auf der rückreise Wernigrode berührt hätte, wo Ihnen lange schon ein besuch zugedacht war.

von mir selbst ist nichts zu melden, als dasz ich leidlich gesund bin und ruhig fortarbeite. das alter hat mir schwerhörigkeit zugeführt, die doch leicht zu ertragen ist, da ich nie eines umgangs mit vielen leuten bedürftig war und mich gern auf wenigen beschränke.

Sie haben mir von zeit zu zeit druckbogen zugehen lassen, aus denen ich sehe, dasz Sie mit den namensuntersuchungen noch vielseitigbeschäftig sind. es ist auch ein überreiches feld, dem sich erstaunliches abgewinnen läszt. ich schicke Ihnen hier meine einzeige eines reinhartbuches,2) worin ich über Iamgrim und Fraval einiges neue vortrage 3) ; Ihre vorliebe ist zwar auf die örtlichen namen gewandt, doch werden Sie auch den männernamen die alte theilnahme nicht entziehen. Es wäre jetzt an der zeit und geboten, von der zeit an, wo Ihr namenbuch endigt wieder aufzunehmen und die eigennamen der mittleren zeit zu verzeichnen, in den urkunden steckt eine menge, zumal der lebendigsten bürger und bauernamen. aber Sie werden keine lust tragen zu neuen sammlungen, ein anderer müste sich dafür entscheiden.

Freundlich grüszend
Ihr ergebenster Jac. Grimm


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2) Jonckbloet, " Etudes sur le roman de Renarl" Groningen 1863
3) Vgl. Kleinere Schriften 5, 460, 461.



Literatur; Briefe der Gebrüder Grimm Gesammelt von Hans Gurtler Nach dessen Tode herausgegeben und erläutert von Albert Leitzmann / Verlag der Frommnanschen Buchhandlung ( Walter Biermann ) Jena 1923
 

 




 

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