Halkyone –Salo, 2. Febuar 1905 
  
       
      
         
        Mein lieber Cäsar!  
         
        Herzlichen Dank für deinen Jost. Ich habe ihn selbst noch nicht gelesen, 
        weil meine Frau Schwester Annemarie zur Zeit bei mir weilt. Du bist ihr 
        Lieblingsdichter, wie du weißt, und so entriß sie mir denn die beiden 
        Bände und zog sich, um sie zu genießen, mit ihrem Baby Rosemarie zurück. 
        Sie ist von dem Buche entzückt und ihre Freude darüber ist nur durch 
        einen Unglücksfall getrübt. Während sie nämlich die beiden Bände in 
        einem Athemzuge verschlang, vergaß sie darüber ganz, dass das Baby ihr 
        über dem linken Arme hing, und hörte nicht mehr auf sein erbärmliches 
        Hungergeschrei.  
        Endlich, als sie den letzten band geschlossen hatte, kam ihr das nunmehr 
        nur noch schwache Wimmern des Kindes zum Bewusstsein. Sie erschrak 
        –allein es war zu spät! In ihren Armen das Kind war - [ hier folgt ein 
        Passus der Schwester, worauf H. abschließend noch hinzufügt] 
        Sie hat eben keinen Sinn für meine feurige Phantasie! 
        Dein Otto Erich. 
         
          
       
      
      
      
        
        Der Erste der Modernen, 
        der dahinging!  
        Der erste aus dem reichen Jahre 1864! 
        Mitten im schönsten Vorfrühling mitten in neuem Jung -Werdewollen und 
        frisch auftreibendem Leben! 
         
        Fahr wohl! Fahr wohl! 
         
        Du warst ein guter Freund alle Zeit auch hinter dem Rücken und ein 
        besserer Mensch im Grunde, als Du Dich selbst zu geben liebtest! 
        Das Herz voller Sehnsucht nach Schönheit und Heiterkeit, das alte Danaer 
        –Erbe des Künstlers!  
        Freude und zugleich Leid!  
        Dein Leid freilich behieltest du für Dich! Du lachtest lieber!  
        Und es war immer ein fröhliches Lachen! 
       
      
        
        Wer jedoch feiner zu fühlen verstand, erkannte wohl den Ernst, den es 
        verdecken sollte. Sie feiern Dich als Epikuräer, als Lebensgeniesser und 
        als großen Trinker, der nebenbei auch Dichter war, und Dein Trinken war 
        Dir längst, ach längst schon so zuwider innerlich, wie die ganzen 
        Biertische, die Du in überschäumender Mitternachtsstimmung gegründet, 
        denen Du aber den Rücken drehtest, Halkyonier zu werden und die 
        Schönheit zu leben, sobald Du erreicht zu haben glaubtest, was Du 
        erreichen würdest! 
        Du warst in Wirklichkeit ja nie der „ weise Geniesser“ nie der große 
        Lebenskünstler, nie die blosse Freudenpflücker, der Du überall genannt 
        wirst….  
        Dein Herz war viel zu heiss dazu und viel zu töricht! 
       
      
        
        Du erkanntes freilich frühe schon und nun zu gut, das man sein Innerstes 
        nie so zeigen darf, wie es ist, wenn man sich nicht lächerlich machen 
        will an den kleinen und großen Stammtischen des Lebens! Das man seine 
        Empfindungen am besten in Witze maskiert oder karikiert, wenn man sie zu 
        Geltung bringen will. 
        Und darum lachtest Du und darum warst Du, wie Du warst! 
         
        Dein Lachen war Deine Waffe gege die Kleinigkeit und Philistrosität der 
        Welt, die Mauer, die Du um Dich aufbautest. Dein Herz zu schützen, das 
        die Dinge so schwer und ernst nahm und nicht der Mut, die Faust zu 
        zeigen aus Furcht, verlacht zu werden! 
        Und dabei war dieses weiche empfindsame Gemüt, das Du so gut verbargst, 
        Dein Bestes und die tiefste Quelle Deiner ganzen Kunst! 
         
        Die halkyonischen Tage, die Du Dir zum Ziel gesetzt, waren Dir nur kurze 
        Zeit beschieden. 
       
      
        
         
        Fahr wohl! 
         
        CÄSAR FLAISCHLEN  
       
      
      
        
       
        Otto Erich 
        Hartleben Briefe zweiter Band 1912 S. Fischer Verlag Berlin 
       
      
        Literatur;  Die Abschiedsworte Cäsar 
        Flaischlens  werden als Jahresgabe für 1906 vom Kuratorium in 50 
        Exemplaren für die Mitglieder der Akademie herausgegeben. 
       
      
       
        
       
        
         
       
      
      
      
      
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