Hebel Friedrich
1813 - 1863
Hebbel schildert seine Jugend selbst im folgenden Briefe, den er als
neuzehnjähriger an Ludwig Uhland in Stuttgart richtet.
Hinzuzufügen ist nur, da ß seine Bemühungen, aus der Heimat
fortzukommen, vergeblich blieben. Uhland konnte seine Wünsche nicht
erfüllen und riet ihm auszuharren. Erst fast drei Jahre später gelang
verschiedenen Gönnern, Hebbel in Hamburg eine Daseinsmöglichkeit zu
bereiten. Aber bereit hatten ihn die Jahre seiner Bedientenstellung in
Wesselburren verdüstert.
ERSTER
BRIEF
Hochgeehrter Herr!
Verzeihen Sie es mir, daß ich so kühn, diese Zeilen an Sie richte. Ich
bin der Sohn eines armen Mannes, 19 Jahre alt und gegenwärtig
Schreiber in der hiesigen Kirchspielvogtei.
Mein Vater starb in meinem 16 Lebensjahre und hinterließ meiner Mutter
nichts, als zwei unmündige Kinder, mich und noch einen jüngeren
Bruder; auf meine Erziehung konnte daher nichts verwendet werden, und
ich hatte nie Gelegenheit, eine andere, als die diesige Bürgerschule,
zu besuchen, worin über 100 Kinder, die auf den verschiedenartigsten
Stufen, des Alters sowohl, als der Fähigkeiten, stehen, in den
Anfangsgründen der unentbehrlichsten Wissenschaften – im lesen,
Rechnen und Schreiben –sowie in der Religion, Unterricht erhalten, und
wo ich mir um deswillen auch nur die allerdürftigsten Kenntnisse
erwerben konnte. Gleich nach dem Absterben meines Vaters wurde ich von
dem hiesigen Herrn Kirchspielvogt Mohr, einem so menschenfreundlichen
als gebildeten Manne, ins Haus genommen, um ihm als Schreiber in
seinen zahlreichen Geschäften beizustehen: mein Herr behandelt mich so
gut, wie ich nur immer wünschen kann: ich konnte daher wohl mit meiner
Lage zufrieden sein: allein, es fehlt mir hier fast an jeder
Gelegenheit, mir einige Bildung zu erwerben. Mein Herr sieht dieses
selbst ein, und hat schon wiederholentlich gegen mich geäußert, da ß
ich nicht am rechten Platze stehe: er aber wußte so wenig einen
Ausweg, als ich selbst: im vorigen Jahre fasste ich den Entschluß aufs
Theater zu gehen und wand mich zu dem Behuf schriftlich und mündlich
an den Herrn Direktor Lebrün in Hamburg: dieser riet mir indes
unbedingt davon ab, und mochte recht haben, indem ich den Plan,
Schauspieler zu werden, weniger aus Liebe zur Sache, als aus
Verzweiflung darüber, daß ich keine einzige Bahn vor mir sah, fasste.
Nun ich diesen Entschluß aber aufgab, war ich wieder, wie ein Schiff
auf stürmischen Meer, und wusste nicht, wohin? Fühlte mich daher in
jeder Hinsicht so unglücklich, wie sich ein Mensch, der durchaus
keinen Lebensplan hat, nur immer fühlen kann: da richtete ich meine
Hoffnung auf Sie, und ich weiß gewiß , diese meine Hoffnung wird mich
nicht täuschen.
Sie, Hochgeehrter Herr, habe ich bewundert, seit ich Ihre
vortrefflichen Gedichte kenne, nämlich seit 2 Jahren: ein so großer
Dichter muß ein ebenso großer Mensch sein und wird einen
Unglücklichen, der sich an ihn klammert, gewiß nicht sinken lassen:
dies fühle, dies weiß ich, und habe daher im gerechten Vertrauen auf
Ihren Edelmut dies Schreiben gewagt.. Seit meiner frühesten Jugend hat
mich eine unsichtbare Macht getrieben, dasjenige, was, was ich jemals
gedacht, gefühlt und geträumt, in Reimen und Versen zu verkörpern, und
dies wird ein Mann, der das Lied „ Freie Kunst“ gedichtet hat, nicht
tadeln; wenn ich indes so kühn bin, von diesen meinen Versuchen
hineben einiges anzuschließen, so möchte das eher tadelnswürdig
erscheinen, ist es aber nicht; denn ich weiß zu gut, daß meine Sachen
zu wertlos, zu unbedeutend sind, um ihrer selbst willen von Ihnen
gelesen zu werden, ich wage es aber dennoch, sie anzulegen, indem ich
mich überzeugt halte, daß Sie mich nach diesen meinen Arbeiten am
besten werden beurteilen können.
Hochgeehrter Herr, nehmen Sie sich meiner an. Tun Sie für mich, was
Sie tun können! Mein erster und nächster Wunsch geht dahin, diesen
Ort, obgleich mich manch wertes Freundschaftsband und kindliche Liebe
an denselben fesselt, sobald als möglich zu verlassen: ich fühle
grässlich, daß ich hier, wenn nicht an Leib, so doch an der Seele zu
Mumie eintrocknen muß. Wenn Sie mir nur eine Schreiberstelle – bei
Ihnen selbst, wage ich nicht zu hoffen – verschaffen könnten, damit
ich, wenn ich mich hier losreiße, doch vorläufig geborgen wäre.
Ein gutes Zeugnis von meinem Herrn kann ich beibringen. In einer Stadt
wie Stuttgart würde ich gewiß tausendmal eher Gelegenheit finden, mir
Bildung zu erwerben.
Nochmals, hochgeehrter Herr, wiederhole ich meine Bitte: nehmen Sie
sich meiner an! Würdigen Sie mich wenigstens einer Antwort, und sein
Sie versichert, daß Sie mich schon durch eine solche Ihnen ewig
verpflichten würden.
Ich bin in der größten Hochachtung
Ihr ganz ergebenster
C. F. Hebbel
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1.aus; Jugendbriefe berühmter Männer/ Verlag " Die Buchgemeinde Berlin 1924
Ausgewählt und eingeleitet von dr. Joh. Rohrn
Das Jahr seines fünfzigsten
Geburtstags brachte ihm den größten Erfolg und den Tod. Bewegungsunfähig lag er
im Bett, als er Nachmittag des 12 Dezember die Nähe des Todes fühlte. Er fragte
den Arzt mit einem bedeutungsvollen Blick, wann die Besserung eintreten werde.
Der Arzt antwortete ruhig : " Morgen." Hebbel wiederholte erleichtert " Also
morgen" und verstarb um 5 Uhr 40 des folgenden Tages.
** Vier Wochen vor dem Tode weiß Hebbel die Verleihung des Schillerpreises für
die " Nibelungen." Bald fehlt uns der Wein, bald der Becher" -ruft er mit
bitterm Lächeln aus.
Doch flammt zwischen schmerzvollen Stunden und Lebenslust aus ihm. Bis ihn am
Nachmittag am 12. Dezember die tödliche Schwäche überfällt.
" Wann wird mir besser werden?" fragt er den Arzt um 11Uhr nachts." Morgen" -
Darauf mit tiefem Blick: " Also Morgen" -
Um 5 Uhr 40 Minuten in der Frühe starb Friedrich Hebbel. Er wünschte "keine
Todesanzeige, keine Trauerzettel, kein Leichengefolge und keine Rede am Grabe.
An Adolf Scholl in Weimar
Lieber Schöll!
Aus der Verspätung meiner Antwort hast Du schon auf den Grund geschlossen.
Jawohl, ich bin nicht bloß aus der freien Luft ins Zimmer gebannt, sondern auch
aus dem Zimmer ins Bett, und liege bereits sechs Wochen. Ich muß mich daher der
Hand meiner Tochter bedienen, um Dir Auskunft zu geben.
Auf das hiesige Burgtheater wirkt der Hofrat Baron von Münch-Bellinghausen, Dir
als Dichter wohlbekannt, am entschiedensten ein, wenn er es auch nicht Wort
haben will, und wer ihm empfohlen ist, dürfte in diesen Dingen besser empfohlen
seyn, als wenn er es an den Kaiser selbst wäre.
Mit den herzlichsten Grüßen Dein
Friedrich Hebbel
Wien, den 1. Dezember 1863.
Literatur, Dies sind nun also
die letzten Zeilen Werner Fuld Krüger Verlag Erschienen im Krüger Verlag,
einem Unternehmen des S. Fischer Verlag GmbH 2007
**Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe Herausgegeben
von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag Berlin 1919