FRIEDRICH HÖLDERLIN
1770 - 1843
ERSTER UND ZWEITER BRIEF
Kurz vor Weihnachten 1785
Maulbronn
Liebste Mamma!
Wann dißmal mein Brief etwas verworrener ist als sonst, so müssen Sie eben
denken, mein Kopf sei auch von Weihnachtsgeschäfften eingenommen, wie der
Ihrige- doch differiren sie ein wenig: meine sind, ohne das heutige Laxier,
Plane auf die Rede, die ich an Johannistage bei Vesper halte, tausend Entwürfe
zu Gedichten, die ich in denen Cessationen ( vier Wochen, wo man bloß für sich
schafft) machen will,, und machen muß, ( NB. Auch lateinische) ganze Paquete von
briefen, die ich, ob schon das N. Jahr wenig dazu beiträgt, schreiben muß, z. E.
Hrn. Helffer, Hrn. Klemm, Hrn. Bilsinger, nach Altona, und was die Sachen als
sind, und die Ihrige sind, was sie eben sind.Was die Besuche in den Weihnachten
betrifft, so bin ich eher so frei, Sie hierher einzuladen, weil mich das
Geschäft am Johannistage, wie gesagt, nicht leicht abkommen lässt. Die 1.
Geschwisterige werden sich wieder recht freuen; aber, im Vertrauen gesagt, mir
ists halb und halb bange, wie sie von mir beschenkt werden sollen.
Ich überlasse es Ihnen, liebste Mamma, wanns ja so ein wenig unter uns beim
alten bleiben soll, so ziehen Sies mir ab, und schenkens ihnen in meinem Nahmen.
Der 1. Frau Grosmamma mein Compliment, und ich wolle ihr auch Weihnachts
Geschenk machen - -ich wolle dem 1. Gott mit rechter Christtags – Freude danken,
daß er Sie mir auch dieses beynahe vollendte Jahr wieder so gesund erhalten
habe. Onerachtet meines Laxiers bin ich doch im übrigen recht wohl. Bei mir ists
zwar nicht zu spät, wie bei Ihnen, doch weiß ich eben nichts mehr zu schreiben,
als da ßich bin meiner liebsten Mamma
Gehorsamster Sohn
Hölderlin.
Hier schicke ich etwas, die Weihnachtsgeschäfte zu zerstreuen: wenn Sies ja
nicht selbst lesen wollen, so lassen Sie sich’s nur wenigstens von dem 1.
Geschwister vorlesen, es wird Ihnen recht wohl gefallen. Schiken Sies nur, so
bald als möglich zurück. Die andern Theile sollen auch folgen. Auch die
Bouteille bitte ich mir zu schiken, sie war entlehnt. Hr. Harpprecht von
nellingen hat mich gestern besucht und mich um den 4ten Theil vom Brittischen
Museo gebeten.
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AN IMMANUEL NAST
Anfangs Januar 1787
Bester!
Ich schied ganz ruhig von Dir – es war mir so wohl bei den wehmütigen
Empfindungen des Abschieds – und noch, wann ich zurückdenke, wie wir so in den
ersten Augenblicken Freunde waren – wie wir so traulich, so vergnügt mit
einander lebten, so bin ich zufrieden – daß ich Dich nur diese etliche Tage
hatte; - O mein Theurer, es waren Zeiten, ich hätte um einen Freund, wie Du,
einen Finger hingegeben, und wann auch mein Erinnern an ihn sich bis aufs Kap
hätte erstreken müssen. – ich habe Dir, glaub ich, schon einmal davon
vorgeschwatz –das Ding ärgert mich, daß mir meine alte trübe Stündchen so oft in
Kopf kommen – und freue Dich nur, wann ich Dir nicht oft schreiben sollte. Du
würdest mir vielleicht manche Klage entwischen sehen, so sehr ich’s vermeide.
Und es ist doch uns Menschen so gut, wenn was zu leiden giebt. – ich war schon
manchmal in meinem Leben ein Thor, aber nie weniger, als wenn mir meines Herzens
Wünsche nicht erfüllt wurden – wann ich unverdiensterweise böse Gesichter sehen
musste-
Aber da kann ich jetzt in allem Ernst sagen – verzeih, ich bin Dir beschwerlich
gewesen! –Da war wieder einmal ein unartiges Gesudel! Nicht wahr, Lieber? Ich
wünsche, ich könnte Dir die Musik über Brutus und Cäsar jetzt schiken, aber wenn
man was von Stutgarder Hrn. Academiciens will, geht’s gar mit Schnekeneil, so
gut auch immer ihr Wille ist.
Zu Schillers Ehre will ich’s auch auf dem Clavier lernen, so hart es gehen wird
mit meinem Geklemper.
Ach ! wie manchmal hab ich
ihm schon in Gedanken die Hand gedrükt, wenn er so seine Amalia von ihrem Carl
schwärmen lässt - !
Du wirst denken, ich sei ein Narr;
aber ich weiß nicht,, machts Eigenliebe oder --- oder – mir ists wohl bei
dergleichen Gedanken. Jetzt gute Nacht, lieber Bruder! Noch eins! Hesler lässt
sich Dir empfehlen. Du würdest noch manches Complimentchen bekommen, wenn ich
ausruffe ließ –
Heut schreib ich meinem Nast – Ihr Leute.
Lebe jetzt wohl.
Liebe Deinen
Hölderlin
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Friedrich Hölderlins
Sämtliche Werke und Briefe in fünf Bänden / Kritisch -historische Ausgabe von
Franz Zinkernagel
Im Insel -Verlag zu Leipzig 1921
LETZTER BRIEF
Hölderlin ist bekannt durch
Hyperion - Briefe an Diotima. Die Liebe zu seiner Hausherrin Suzette Gontard
ermöglichte im den einzigen Roman Hyperion, das Bekenntnis einer überspannten
Seele. Nach ihrem Tod brach Hölderlin psychisch zusammen, lebte noch bei seinem
Freund, bis sich die Psychose so verstärkte, dass er zunächst in eine Klinik
kam, mit der Prognose eine kurze Überlebungszeit zu haben. Dort lebte er noch
sechsunddreißig Jahre lang in einem Turm. Seine letzte bekannte schriftliche
Mitteilung ist solch ein Eintrag.
Für einen Unbekannten
(Tübingen, 1840)
Von der Realität des Lebens.
Wenn die Menschen das bemerken, daß Kentnisse im Leben sind, die den Menschen
interessiren, so kann man davon sprechen, daß ein Zwek im Leben, und daß die
Nützlichkeit im Leben nicht ohne Interesse wäre. Die höchsten Behauptungen des
Menschen sind nicht ohne solche Allgemeinheit. Das Innere des Menschen ist von
mehreren Bestimmungen; diese Art von Behauptenheiten ist davon nicht
ausgeschlossen. Die Menschen sind in solchen Rüksichten höhere Menschen, die in
der menschlichen Gesellschaft existiren.
d. 25 Januar 1729.
Dero unterthänigster Buarotti.
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27. Mai. Freundschaft. Wenn Menschen sich... Unten Vermerk des Oberbibliothekars
Robert von Mohl: Vorstehendes Gedicht ist von dem, wahnsinnigen Dichter
Hölderlin am 27ten Mai 1843 aus dem Stegreife niedergeschrieben worden.
Die Unterschrift die des von ihm in seiner Geisteskrankheit angenommenen Namens;
Tübingen, 30. Mai 1843.
Freundschafft
Wenn Menschen sich aus innrem Werthe kennen,
So können sie sich freudig Freunde nennen,
Das Leben ist den Menschen so bekannter,
Sie finden es im Geist interessanter.
Der hohe Geist ist nicht der Freundschafft ferne,
Die Menschen sind den Harmonien gerne
Und der Vertrautheit hold, daß sie der Bildung leben,
Auch dieses ist der Menschheit so gegeben.
d. 20 Mai 1758.
Mit Unterthänigkeit
Scardanelli.
II
Anfang Juni. Der Frühling. Die Sonne kehrt... und Die Aussicht. Wenn in die
Ferne geht...
Auf Die Aussicht der Vermerk Fritz Breunlins In Tübingen von Hölderlin in seinen
letzten Lebenstagen geschrieben. Letztmals die Tag- und Jahreszeiten als
sicheres Zeichen der Erneuerung. Und unversehens das Wort Neue Welt, über Chor
am Schluß des Empedokles-Entwurfs. Dazu, wie geheime Fermaten, die ein
wärtsgebogenen Formen ...erscheint sich... und sich erglänzt... die Erfindung
dieses letzten Gedichtpaars sind.
Der Frühling
Die Sonne kehrt zu neuen Freuden wieder,
Der Tag erscheint mit Stralen, wie die Bliithe,
Die Zierde der Natur erscheint sich dem Gemüthe,
Als wie entstanden sind Gesang und Lieder.
Die neue Welt ist aus der Thale Grunde.
Und heiter ist des Frühlings Morgenstunde,
Aus Höhen glänzt der Tag, des Abends Leben
Ist der Betrachtung auch des innern Sinns gegeben.
d. 20 Jan. 1758
mit Unterthänigkeit
Scardanelli.
Die Aussicht
Wenn in die Ferne geht der Menschen wohnend Leben,
Wo in die Ferne sich erglänzt die Zeit der Reben,
Ist auch dabei des Sommers leer Gefilde,
Der Wald erscheint mit seinem dunklen Bilde,
Daß die Natur ergänzt das Bild der Zeiten,
Daß die verweilt, sie schnell vorübergleiten,
Ist aus Vollkommenheit, des Himmels Höhe glänzet
Den Menschen dann, wie Bäume Blüth' umkränzet.
24 Mai 1748
Mit Unterthänigkeit
Scardanelli
Literatur; 1.Friedrich Hölderlin Sämtliche Werke
Briefe und Dokumente in zeitlicher Folge
Band XII 1806 - 1843 Homburg Tübingen In lieblicher Bläue... Hyperion III
Turmgedichte
Literaturverlag Leuchterhand 2004
2.Jugendbriefe
berühmter Männer / Ausgewählt und eingeleitet von Dr. Joh. Rohr / Verlag " Die
Buchgemeinde" 1924