BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 

FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK

1724 - 1803

 




An den Markgrafen von Baden

Hamburg den 10. Nov. 1802

Durchlauchtiger Markgraf, gnädiger Fürst und Herr!
Ich bin, seit dem Anfang des Mays, bald krank, bald kränklich gewesen, kurz, ich merke, daß ich das letzte Jahr vor dem achtzigsten erreicht habe. Dieß mein Befinden hat dann leider gemacht, daß ich die vortreffliche Tochter von Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht nicht gesehen habe. Aber meine Frau hat Sie gesehen, und gegen diese hat Sie sich so liebenswürdig betra­gen, daß ich mein Nichtsehen beynah vergessen konte.

Ich bin so glücklich gewesen, veranlassen zu können, daß der Kaiser von Rußland, den ich liebe, mir für die Ode (die ich beylege) kein Geschenk gemacht hat, wie verschiedene Gelehrte und Künstler von ihm erhalten haben, Denn er hat gesehn, daß jene Ode solche Absichten nicht hatte, sondern daß sie allein durch liebende Verehrung entstanden war.
Vor einiger Zeit besuchte mich der russische Oberkammerherr, und es war mir kein kleines Vergnügen, daß er die eben angekommenen, sehr getroffenen Gipsabbildungen des Kaisers und seiner Gemahn bey mir fand, und ich nun so gute Gelegenheit hatte, von ihm und von ihr, recht nach Herzenslust zu sprechen.

Mich verlangt sehr danach, von Ew. Durchlaucht zu hören, ob ich meinen Wunsch, griechische M. S. aus der großsultanischen Folterkammer zu bekommen, nun völlig aufgeben, und also geduldig zusehen soll, daß sie der englische Gesandte in Konstantinopel, der auch sein Auge darauf geworfen hat, in Besitz nehme, oder ob ich mir noch einige Hoffnung machen darf, sie durch den russischen Gesandten zu erhalten.

Der Prinz von Wallis hat, wie Ew. hochfürstliche Durchlaucht wissen, einen Gelehrten nach Neapoli geschickt, und der läßt die herkulanischen M. S. aufrollen, oder vielmehr die beinahe verbrannten in kleinen Theilen abnehmen. Vor ziemlich langer Zeit stand mir der Sinn auch nach diesen M. S. Die Königin war mir auch gar nicht abgeneigt.
Aber da Sie zuletzt erfuhr, (ich hatte es in Wien so zu machen gewußt, daß auch die Prinzessin Christine, Herzogin von S. T. die Sache befördern wollte), daß an den M. S. gleichwol etwas gelegen seyn könte, geriethen meine Wünsche, die freylich eines Ausländers, auf Einmal unter die zahllosen unerfüllten.

Ew. Durchlaucht vermuten gewiß von mir, ohne daß ich es Ihnen sage, daß mir Ihr weises Betragen, bey Ihren Besitznehmungen, nicht wenig Freude mache; aber erlauben Sie gleichwol, daß ich es Ihnen sage. Mein vortrefflicher Arzt, der zugleich mein Freund ist, besucht mich seit dem Anfang des Mays beinah alle Tage; allein wegen der hiesigen Theurung fast aller Sachen, die schon lange gedauert hat und noch fortdauert, bin ich nicht im Stande, mich gegen ihn, der es doch bedarf, erkenntlich zu bezeigen. Dieß drückt mich; aber nach meiner Denkart drückt es mich auch, gegen Ew. Durchlaucht hiervon Erwähnung zu thun. Ich überlasse mich indeß mit Ruhe Ihrer edlen Art zu verfahren.

Ew. Durchlaucht wissen, mit welcher Verehrung und Liebe ich immer war und seyn werde

Der Ihrige Klopstock



 



Literatur; Dies sind nun also die letzten Zeilen/ Die letzten Briefe großer Persönlichkeiten/Kröger Verlag 2007


 


 

 




 

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