KNEBEL LUDWIG KARL
1744 -1834
Im Jahre 1833 steigerten sich die Beschwerden des Alters in hohem Grade,
starker Husten quälte ihn beständig und das Tagebuch spricht von "
sorglichen Tagen". Die Füße, deren einer halb gelähmt war, versagten den
Dienst immer mehr, und er that am 16. Dezember einen schweren Fall, der
ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Zwar erholte er sich, fiel aber am
12. Februar folgenden Jahres wieder so heftig zur Erde, daß er anscheinend
eine Gehirnerschütterung davon trug und sich sehr matt fühlte. Sein
baldiges Ende ahnend sprach er viel über die Unsterblichkeit der Seele,
deren Fortdauer er jetzt im Gegensatze zu früheren Anschauungen hoffen zu
dürfen glaubte. Auf die Frage, ob er Schmerzen habe, erwiderte er: "
Lassen Sie es gut sein, die Natur hat Alles weise geordnet, auf einen
starken Ambos ließ sie auch einen starken Keil fallen."
Vielfach phantasierend recitirte er häufig Stellen aus lateinischen
Klassikern und entschlummerte sanft im neunzigsten Lebensjahre am 23.
Februar 1834 Morgens 10 Uhr. Die goldene Leier, welche auf Goethes Sarg
gelegen, Schwert und Lorbeerkranz schmückten seinen Sarg. Am 25 februar
Abends 7 Uhr wurde die irdische Hülle unter großem Gefolge, in welchem
sich Vertreter des Großherzogs, des Senats der Universität und der
Stadtbehörden, sowie ein Fackelzug der Jenenser Studenten befanden, zum
Friedhofe geleitet. Als der Zug hier angelangte, mischte sich das Licht
des aufgehenden Vollmondes mit dem Scheine der Fackeln.
In der Grabrede sprach der Superintendent Schütz unter Anderem: " Wir
würden schon aus der Verbindung mit den angesehensten Männern seiner Zeit
schließen müssen, daß es kein kleiner Geist war. Aber selten ward auch
eine so natürliche Herzensgüter gefunden. Die Biederkeit und Treue, die
sich in seinem festen klaren Auge und in den kräftigen Zügen spiegelte,
wohnte bei ihm in der Tiefe des Herzens und fesselte selbst solche an ihn,
mit denen ihn übrigens nicht die gleiche Ansicht der Welt und des Lebens
verband.
Wunderbar und in den späteren Jahren seines Lebens beinahe rührend war die
Mischung der Kraft mit der Milde des Gemüths, des festen oft so
unbeugsamen Willens mit dem hingebenden kindlichen Wesen, die in ihm lag,
und die ihm so leicht aller Herzen gewann. mehr als das Stammbaum und das
morsche Pergament adelte ihn das warme lebendige Gefühl für Wahrheit und
Recht, welches sich immer offen und ohne Scheu offenbarte, der edle,
vorurtheilslose Sinn, mit welchen er die menschliche Verhältnisse
betrachtete, die Bereitwilligkeit, mit der er fremden Werth und fremdes
Verdienst anerkannte, die anspruchslose Bescheidenheit, mit welcher er
sich denen, die ihm geistig überlegen waren, unterordnete, ohne jedoch
sein eigenes Urtheil aufzugeben und sich zum Sklaven fremder Ansicht und
Meinung zu machen, die Freiheit von kleinlichen beschränkten Rücksichten,
wenn es galt, den Menschen nach dem zu würdigen, was er leistet und ist.
Er war ein setener Mensch, eine reiche Natur, für das Höchste und Beste
empfänglich, seiner Kraft seiner Kraft bewußt und doch mit ihr sich nie
hervordrängen, großartig angelegt von dem Schöpfer, dessen bildende Hand
ihm die Züge zu einer scharf ausgeprägten Eigenthümlichkeit aufdrückte. "
Der Kanzler von Müller widmete dem entschlafenden Freunde einen
Lorbeerkranz nebst einem poetischen Nachruf, worin seine Verdienste
freundliche Anerkennung fanden.
Kein Kranz oder Gedenkstein bezeichnet die Ruhestätte, welche die Gebeine
Knebels birgt, an der Mauer des alten Jenaer Friedhofes. Nur einige Tannen
spenden Schatten dem Schlafenden, annähernd des Verblichenen Wunsch
erfüllend, welcher am liebsten im rauschenden Walde zu ruhen gewünscht
hatte. Neben ihm ruht sein langjähriger Hausgenosse Legationsrath Weller
1.
Das Scheiden des Vielgeliebten riß eine weite, nicht ausgefüllte Lücke in
den Kreis seiner Familie und seiner Freunde. Wie weit auch im Einzelnen
ihre Lebensanschauung von den seinen abweichen, wie klar sie auch seine
auffäligen Schwächen erkennen mochten, sie übersahen diese über den
Lichtseiten seines Gemüthes und Charakters.
Sie betrauerten in ihm einen Mann von ernstem wissenschaftlichen Streben,
unermüdlichem Forschungsdrange und vielseitigem Wissen, der sich mühte,
seine wenig glückliche Naturanlage zu bekämpfen, der ein herz besaß voll
reinster Menschenliebe, strengster Wahrhaftigkeit, Offenheit, einen Helfer
der Bedrängten.
DER LETZTE TON AUS WEIMARS JUBELZEIT WAR LEISE VERKLUNGEN.
BRIEF
Jena den 22 März 1833 ( An Goethes Sterbetag)
An Kanzler Müller
Für die gütige Übersendung der letzten Theile der nachgelassenen Goethe'
schen Werke danke ich Ihnen von Herzen. Ich werde sie mit Andacht lesen.
Sie werden mir zuweilen durch Auflösung der pythischen Orakel helfen.
Goethe scheint mit dem heutigen Tage fast alle Wärme von unsrer armen Erde
mit sich genommen zu haben. Wir haben hier vollkommenen Winter, und der
Schnee blendet uns die Augen. Was kann es werden? Heiter konnte dieser Tag
nicht sein. Wir müßten denn, wie die Wilden, um das Grab des Verstorbenen
tanzen, und uns freuen, daß er unser gewesen, und nun der Erde entlediget
sei.
Wie geht es in Weimar? ich höre nicht viel daher. Gestern war ein fremder
Reisender, Herr Hoffrath Wagner, bei mir. Er erzählte mir Manches von
Griechenland, und von dem jungen König, der als Genius daselbst erschien.
Ihr lieber Herr Bruder besucht uns fleißig und verkürzt uns die
Abendstunden.
Leben Sie wohl, theurer Freund, und empfehlen uns allen unsern Geliebten!
Knebel
1) nach Döring, Blätter für Literarische Unterhaltung 1834, hatte er sich
die im Nachlaß I, S. 76 abgedruckte Grabschrift als die eigene
geschrieben: " Nicht zu der stygischen Fluth, und nicht zu dem finsteren
Cocytus wallte mein Geist, auch nicht hin in' s elyseische Feld, Kein wie
er war nahm ihn die Natur nun wieder zu sich auf und im unendlichen All
lebet er ewig mit fort"
K. L. Knebel Literarische Nachlaß Briefwechsel K. A. Varnhagen von Ense
und Th. Mund Leipzig Gebrüder Reichenbach 1836 Band III
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