THEODOR KÖRNER
1791 - 1813
Der Sohn des Freundes Schillers hatte im Vaterhause eine edle Jugendzeit
verlebt, hatte dann Naturwissenschaften studiert, bereits seine ersten
Gedichte veröffentlicht sowie seine ersten Lustspiele vom Burgtheater in
Wien aufgeführt gesehen, war sogar bereits als Theaterdichter am
Burgtheater angestellt und hatte sich verlobt,, kurz das Leben lag wie ein
Blumenbestreuter Pfad vor ihm: Da berief ihn sein Geschick ab. Der Aufruf
des Königs von Preußen zum Befreiungskrieg erscholl, und der
Dreiundzwanzigjährige eilte zu den Waffen und in den Tod. Berühmt ist sein
Abschiedsbrief an den Vater beim Eintritt in das Lützowsche freiwillige
Jägerkorps.
ERSTER BRIEF
Wien, 10. März 1813.
Liebster Vater! Ich schreibe dir diesmal in einer Angelegenheit, die, wie
ich das feste Vertrauen zu Dir habe, Dich weder befremden noch erschrecken
wird. Neulich schon gab ich Dir einen Wink über mein Vorhaben, der jetzt
zur Reife gediehen ist. Deutschland steht auf, der preußische Adler
erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge die große
Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen Freiheit. Meine Kunst
seufzt nach ihrem Vaterlande, - laß mich ihr würdiger Jünger sein! – Ja,
liebster Vater, ich will Soldat werden, will das hier gewonnene glückliche
und sorgenfreie Leben mit Freunden hinwerfen, um, sei’ s auch mit meinem
Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen. Nenn’s nicht übermut, Leichtsinn,
Wildheit.
Vor zwei Jahren hätte ich es so nennen lassen; jetzt, da ich weiß, welche
Seligkeit in diesem Leben reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glücks
in schöner Milde auf mich niederleuchten, jetzt ist es, bei Gott, ein
würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Ueberzeugung,
daß kein Opfer zu groß sei für das höchste menschliche Gut, für seines
Volkes Freiheit.
Vielleicht sagt Dein bestochenes väterliches Herz: Theodor ist zu
größeren Zwecken da, er hätte auf einem anderen Felde Wichtigeres und
Bedeutendes leisten können, er ist der Menschheit noch ein großes Pfund zu
berechnen schuldig. Aber, Vater, meine Meinung ist die: zum Opfertode für
die Freiheit und für die Ehre der Nation ist keiner zu gut, wohl aber sind
viele zu schlecht dazu! Hat mit Gott wirklich etwas mehr als gewöhnlichen
Geist eingehaucht, der unter Deiner Pflege denken lernte, wo ist der
Augenblick, wo ich ihn nicht mehr geltend machen kann!
Eine große Zeit will große Herzen, und ich fühl’ die Kraft in mir, eine
Klippe sein zu können in dieser Völkerbrandung, ich muß hinaus und dem
Wogensturme die mutige Brust entgegendrücken.
- Soll ich in feiger Begeisterung meinen siegenden Brüdern meinen Jubel
nachleiern? Soll ich Komödien schreiben auf dem Spotttheater, wenn ich den
Mut und die Kraft mir zutraue, auf dem Theater des Ernstes mitzusprechen?
Ich weiß, Du wirst manche Unruhe erleiden müssen, die Mutter wird weinen!
Gott tröste sie! Ich kann’s Euch nicht ersparen. Des Glücks Schoßkind
rühmt’ ich mich bis jetzt; es wird mich jetzt nicht verlassen. Daß ich
mein Leben wage, das gilt nicht viel; daß aber dies Leben mit allen
Blütenkränzen der Liebe, der Freundschaft, der Freude geschmückt ist, und
daß ich jetzt es doch wage, daß ich die süße Empfindung hinwerfe, die nur
in der Ueberzeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das
ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf.
Sonnabend oder Montag reise ich von hier ab, wahrscheinlich in
freundlicher Gesellschaft; vielleicht schickt mich auch Humboldt als
Kurier. In Breslau, als dem Sammelplatze, treffe ich zu den freien Söhnen
Preußens, die in schöner Begeisterung sich zu den Fahnen des Königs
gesammelt haben.
Ob zu Fuß oder zu Pferd, darüber bin ich noch nicht entschieden; das kommt
einzig auf die Summe des Geldes an, die ich zu zusammenbringe.
Toni hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre große, edle Seele bewiesen.
Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird ihre Tränen schon
trocknen. – Die Mutter soll mit ihrem Schmerz vergeben; wer mich liebt,
soll mich nicht verkennen, und Du wirst mich Deiner würdig finden.
Dein Theodor
Literatur; ugendbriefe berühmter Männer / Ausgewählt und eingeleitet von
Dr. Joh. Rohr / Verlag " Die Buchgemeinde" 1924
LETZTER BRIEF
Begeistert hatte sich der junge Dichter gegen den Willen seines Vaters zu
Lützows Freikorps gemeldet, um die Franzosen zu vertreiben: »So Gott will,
wollen wir als deutsches Volk das edle Hamburg befreien mit unserem Blut
...« Er ließ seine Wiener Verlobte und einen Vertrag als Dichter des
Burgtheaters hinter sich. Sein Ziel erreichte er nicht; drei Tage nach
seinem letzten Brief an seinen Verleger traf ihn eine tödliche Kugel.
Seine Kriegslieder, entstanden aus dem unmittelbaren Erleben der Kämpfe
(»Lützows wilde Jagd«), gehörten im 19. Jahrhundert zum patriotischen
Bildungsgut.
Theodor Körner ist verlobt mit einer reizvollen Schauspielerin( Antonie
Adamberger9; hat einen Vertrag am Burgtheater - als Hoftheater -Dichter.
Da kommt der Ruf des Vaterlandes. Er, der so vie zu verlieren hat, zögert
keinen Augenblick. In hingerissener Stimmung schreibt er jenes berühmte
Dokument an seinen Vater, in dem er seinen Entschluß , dem Ruf zu folgen,
in hohen Worten kündet. Am Abend des 24. August dichtet der Lützower
Leutnant das " Schwertlied". Wenige Stunden später trifft ihn ein Schuß.
Er hatte sein 22 Jahr noch nicht vollendet.
Ratzeburg, am 18. August 1813
In aller Eile ein paar Worte von Ihrem Freunde. Ich bin wieder bei Corps,
von allen mit der herzlichen Liebe empfangen; so eben marschieren wir, in
drey Tagen erwarten wir die Todeshochzeit. Leben Sie wohl mit allem, was
mir zugetan ist. So Gott will, wollen wir als deutsche Volk das edle
Hamburg befreien mit unserm Blute, das unsre Fürsten mit ihrer
Nichtswürdigkeit geopfert haben. Tausend Dank für ihre lieben Briefe, und
für die lieben, lieben Andenken an Sie beiden Genies meines Lebens.
An Daniel Friedrich Parthey
Kirch-Jesar, am 23. August (1813).
Liebster Hofrath!
Ich lebe noch; seit dem Siebzehnten schlagen wir alle Tage. Die Truppen
haben sich concentrirt; ich erwarte in diesen Tagen einen Hauptschlag. Das
Bivouacq hindert mich am längern Schreiben. Tausend Grüße an alle. Meinen
Eltern Nachricht, so es möglich; den Brief bitte ich zu besorgen. Gott mit
euch und uns!
Literatur; Dies sind nun also die letzten Zeilen/ Die letzten Briefe
großer Persönlichkeiten/Kröger Verlag 2007