BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 




LESSING GOTTHOLD EPHAIM

1729 - 1781
 

 


kam als Sproß einer kinderreichen Pastorenfamilie in Kamenz zur Welt Mit zwölf Jahren wurde er auf die Fürstenschule zu Meißen gebracht, wo er verblieb, bis er siebzehnjährig die Universität in Leibzig bezog, um Theologie zu studieren. Auf der Fürstenschule zeichnete er sich aus und versuchte sich auch bereits in der Dichtkunst, wie unser zweiter Brief, den er als Siebzehnjähriger an den Vater schrieb, ausweist.
Freilich gefällt es ihm auch bereits nicht mehr in Meißen wegen der Zustände, die er näher beschreibt; es sind die Zustände kurz nach der Beendigung des zweiten schlesischen Krieges.
Bereits unser erster Brief, ein Brief des Vierzehnjährigen an die ältere Schwester, zeigt den ganzen späteren Dichter. So spaßig es uns vorkommt, wie das sittenstrenge Männlein die Schwester abkanzelt und ihre Schreibfaulheit (und nicht nur ihre Schreibfaulheit) brandmarkt: es liegt doch der ganze Ernst des späteren darin, und gleich die ersten Sätze in ihrer kristallenen Klarheit zeigen den großen Meister der Sprache.

 

 

ERSTER BRIEF

A Mademoiselle

Mademoisell’e lessing
ma tres cher Soeur a Camenz
M den 30. Dezember 1743.

Geliebte Schwester!

Ich habe zwar an Dich geschrieben, allein Du hast nicht geantwortet. Ich muß also dencken, entweder Du kannst nicht schreiben, oder Du willst nicht schreiben. Und fast wollte ich das erste behaupten. Jedoch ich will auch das andere glauben; Du willst nicht schreiben. Beydes ist strafbahr. Ich kann zwar nicht einsehn wie dieses beysamen stehn kann: ein vernünftiger Mensch zu seyn vernünftig reden können; und gleichwohl nicht witzen, wie man einen Brief aufsezen soll.
Schreibe wie Du redest, so schreibst Du schön.
Jedoch; hätte auch das Gegentheil statt, man könnte vernünftig reden, dennoch aber nicht vernünftig schreiben, so wäre es für Dich eine noch eine großere Schande, daß Du nicht einmahl so viel gelernet.
Du bist zwar Deinem lehr Meister sehr zeitig aus der Schule gelauffen, und schon in Deinen 12 Jahren hiltest Du es vor eine Schande etwas mehres zu lernen: allein wer weiß welches die große Schande ist? In seinen 12 Jahren noch etwas zu lernen als in sein 18ten oder 19ten noch keinen Brief schreiben können. Schreibe ja! Und benimm mir diese falsche meynung von Dir.
Im vorbeygehen muß ich doch auch an das neue Jahr gedencken. Fast jeder wünschet zu dieser Zeit gutes. Was werde ich Dir wünschen? Ich muß wohl was besonderes haben. Ich wünsche Dir, daß Dir Dein ganzer mammon gestohlen würde.
Vielleicht würde es Dir mehr nutzen, als wenn jemand zum neuen Jahre Deinen Geld Beutel mit einigen 100 Stück Ducaten vermehrte.
Lebe wohl!
Ich bin Dein treue Bruder
G E. Lessing


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Jugendbriefe berühmter Männer / Ausgewählt und eingeleitet von Dr. Joh. Rohr / Verlag " Die Buchgemeinde" 1924




LETZTEr  BRIEF

Lessing an seine Stieftochter Amalia
Meine liebe Tochter,




den 1n Februar. 81
...[ der Brief ist offenbar aus Braunschweig und interessant um deswillen, weil er, vierzehn Tage vor dem Tode geschrieben ( Lessing starb den 15. Febr. 1781], dem datum nach überhaupt der letzte Brief ist, den wir von Lessing besitzen ]

Ich habe Dir gestern nicht schreiben können, weil ich nicht gewiß wußte, wann Herr T*.....) kommen könne. Nun will er auf den Sonnabend kommen, und Du kannst sicher seyn, daß ich Dir des Tages vorher einen Braten schicke. Wenn ich nur wüßte, welcher Dir am liebsten wäre.

Ich befinde mich leidlich. Und wenn Du mir morgen noch schreibst, was wir alles zur Messe brauchen: so kann ich die Bestellung machen, daß wir mit Commodität wieder herüber gehen können. Der Haufen ihre Mustercharten liegen in meiner Stube auf dem Fenster, in drey einzeln Bogen. Sieh Dich doch darinn um, und schicke mir die Probe, damit ich mich nach dem Preis erkundige.
Dein tr. V.

L.


Briefwechsel Lessing und seine Frau Neu herausgegeben von Dr. Alfred Schöne / Leipzig Verlag von S. Hirzel 1870

* Name, es es nicht gelang entziffern




 


 

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