BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 

Spitzweg Carl

1808 - 1885

 


Franz Carl Spitzweg war ein deutscher Maler. Weniger bekannt ist, dass er auch als Dichter tätig war.



M. d. 16 Sept. 85

( wenige Tage vor Spitzwegs Tod )



Verehrtester Freund!

Ihr liebes das ich so eben erhielt, kommt mir so schön vor wie eine Lamentation in der Sixtina am Grün Donnerstag, nur sind die Lamentationen dort kalligraphisch noch schöner. Warum denn greinen; daß Ihnen das fare niente nicht dolce vorkommt, warum denn über Langeweile in Gesellschaft jammern – Sie, der an Arbeit gewöhnt u. dem geistige Beschäftigung zur anderen Natur geworden – ist denn das nicht natürliche Folge und wäre da nicht das Gegenteil höchst zu bedauern!

Mir schein das eine Art Rheumatismus und weiß aber nicht gleich auf welches edlere Glied des Körpers er sich geschlagen. So begreife ich auch nicht die dichterische Anspielung auf das frisch geschnittene Gras vulgo Heu vielmehr auf den lieblichen Duft desselben – dieser Genuß ist mir so geläufig als wie das tägliche Brot – fortwährend hab ich den Heuduft in der Nase ( Das soll nicht eine triviale Anspielung auf den Heumarkt sein ) sondern es befindet sich dicht über meine Nase eine Art Heuboden u. s. f



Unterbrechung

17. Sept.

Die Langeweile scheint auch hier endemisch zu werden. Jetzt war gerade ein Bekannter da, der klagt über Sterbenslangweile – er hat nemlich seit ein paar Wochen kein Lineal mehr gesehen. Do ein zweiter der hat Langeweile, „ weil er nicht thuen mag“ etc. wie er selber eingesteht, „ lesen kann man auch nicht immer, zum Spazierengehen ist es schon beinahe wieder zu heiß, und wo soll man denn hingehen, ohne daß man sich ärgert, namentlich in Gesellschaften“ u. s. f.

Von Maier erhielt ich dieser tage gleichfalls einen lamentablen Brief – in St. Ulrich wurde er leidender als je - Athem Noth –Schmerz an der Hand – am Fuß ( Gicht); und dann die Kälte die nach und nach unerträglich wurde, zwangen ihn auszureißen und er ist seit ca. 8 Tag in Varn ( Filiale von Brixner Elefanten ) u. wird wenn das Wetter sich wieder verschlimmern sollte, lieber wieder ganz zurückkehren. Dr. Fries Schwester in Karlsruhe gestorben ( 43 Jahre alt Schlagfluß). – Kunst Neues nichts – als literarisches anbei ein Ausschnitt aus den N. N. der arme Metzger muß noch einmal sterben. Wir aber bleiben vor der Hand noch ein wenig hier und zwar so lang als möglich „ es pressiert nicht so“ sagte der Posthalter von Wolfrathshausen „ ich mag nicht so schnell schon ein Engerl werden.“

Zu Fenster Paraden und zu allerlei Liebestechtelmechtel sagen wir resignirt A. D.; aber die Liebe zum Leben mögen wir nie verlieren bis ganz zu allerletzt – früher hoffe Sie wieder gesund und wohl begrüßen zu können Ihr treuer


C. Spitzweg



Literatur, Carl Spitzweg /Des Meisters Leben und Werk Seine Bedeutung in der Geschichte der Münchener Kunst
Delphin Verlag München 1922 Hermann Uhde Bernans / Dr. Richard Landauer

 


 

 

 




 

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