Spitzweg Carl
1808 - 1885
Franz Carl Spitzweg war ein deutscher Maler. Weniger bekannt ist, dass er auch
als Dichter tätig war.
M. d. 16 Sept. 85
( wenige Tage vor Spitzwegs Tod )
Verehrtester Freund!
Ihr liebes das ich so eben erhielt, kommt mir so schön vor wie eine Lamentation
in der Sixtina am Grün Donnerstag, nur sind die Lamentationen dort
kalligraphisch noch schöner. Warum denn greinen; daß Ihnen das fare niente nicht
dolce vorkommt, warum denn über Langeweile in Gesellschaft jammern – Sie, der an
Arbeit gewöhnt u. dem geistige Beschäftigung zur anderen Natur geworden – ist
denn das nicht natürliche Folge und wäre da nicht das Gegenteil höchst zu
bedauern!
Mir schein das eine Art Rheumatismus und weiß aber nicht gleich auf welches
edlere Glied des Körpers er sich geschlagen. So begreife ich auch nicht die
dichterische Anspielung auf das frisch geschnittene Gras vulgo Heu vielmehr auf
den lieblichen Duft desselben – dieser Genuß ist mir so geläufig als wie das
tägliche Brot – fortwährend hab ich den Heuduft in der Nase ( Das soll nicht
eine triviale Anspielung auf den Heumarkt sein ) sondern es befindet sich dicht
über meine Nase eine Art Heuboden u. s. f
Unterbrechung
17. Sept.
Die Langeweile scheint auch hier endemisch zu werden. Jetzt war gerade ein
Bekannter da, der klagt über Sterbenslangweile – er hat nemlich seit ein paar
Wochen kein Lineal mehr gesehen. Do ein zweiter der hat Langeweile, „ weil er
nicht thuen mag“ etc. wie er selber eingesteht, „ lesen kann man auch nicht
immer, zum Spazierengehen ist es schon beinahe wieder zu heiß, und wo soll man
denn hingehen, ohne daß man sich ärgert, namentlich in Gesellschaften“ u. s. f.
Von Maier erhielt ich dieser tage gleichfalls einen lamentablen Brief – in St.
Ulrich wurde er leidender als je - Athem Noth –Schmerz an der Hand – am Fuß (
Gicht); und dann die Kälte die nach und nach unerträglich wurde, zwangen ihn
auszureißen und er ist seit ca. 8 Tag in Varn ( Filiale von Brixner Elefanten )
u. wird wenn das Wetter sich wieder verschlimmern sollte, lieber wieder ganz
zurückkehren. Dr. Fries Schwester in Karlsruhe gestorben ( 43 Jahre alt
Schlagfluß). – Kunst Neues nichts – als literarisches anbei ein Ausschnitt aus
den N. N. der arme Metzger muß noch einmal sterben. Wir aber bleiben vor der
Hand noch ein wenig hier und zwar so lang als möglich „ es pressiert nicht so“
sagte der Posthalter von Wolfrathshausen „ ich mag nicht so schnell schon ein
Engerl werden.“
Zu Fenster Paraden und zu allerlei Liebestechtelmechtel sagen wir resignirt A.
D.; aber die Liebe zum Leben mögen wir nie verlieren bis ganz zu allerletzt –
früher hoffe Sie wieder gesund und wohl begrüßen zu können Ihr treuer
C. Spitzweg
Literatur, Carl
Spitzweg /Des Meisters Leben und Werk Seine Bedeutung in der Geschichte
der Münchener Kunst
Delphin Verlag München 1922 Hermann Uhde Bernans / Dr. Richard Landauer