UHLAND
LUDWIG
1787 - 1862
Ludwig Uhland ist in
Tübingen geboren. Dort studierte er dann auch Jura und Philologie, und
dort war er später Professor an der Universität. Der von uns gebrachte
Brief des neunzehnjährigen stammt aus jenem glücklichen Kreis von
dichtenden und schwärmenden, für die deutsche Vergangenheit begeisterten
Jünglingen, jenem Kreis, dem auch Justinus Kerner angehörte. An Kerner
ist er auch gerichtet. Es ist in den Sommerferien, die Freunde sind in
der Heimat, Uhland verlassen. Der Neuenbau, Kerners und anderer Freunde
Wohnung, steht leer, desgleichen die beiden ehemaligen Klöster, jetzt
Stätten akademischer Arbeit, und die beiden Ausflugstätten der jungen
Dichter: der Ammerhof und das Dorf Luftnau. Kerner, so denkt Uhland,
wird sich zwar leicht trösten über seine Abwesenheit: der Frieden Gottes
ist ja bei ihm - womit auf Kerners Braut Friederike angespielt wird. Es
ist ein Sonntagsbrief voll Freude und Sonnenglanz. Frisch – fröhliche
Spott über des Freundes Almanachlyrik, der an die Kapuzinerpredigt aus
Wallensteins Lager anklingt, schmückt es, und den Schluß macht eine
dithyrambische Verehrung des Herbstes – ein echter Dichterbrief.
Tübingen, Sonnt. d. 4.
Oktober 1807
Ehrbarer, guter Freund !
Zwei Briefe machen
wenigstens Eine Antwort zur Pflicht.
Dietz ist bei den Deinigen um so mehr der Fall, da Dein zweiter eine
Frage enthält: Warum ich nicht schreibe? Aber wie war es mir möglich,
einen Brief zu beantworten, aus dem von allen Seiten Witz und Poesie
hervorquillt, wie der Saft aus einem guten Schweizerkäse? Ich erwarte
daher immer, ob mir die Musen ( aus den heidnischen Götterlehre bekannt
als Töchter Jupiters und der Mnemosyne, sie lebten zu den Zeiten Homers
u. a. , ja es wollten sie noch in neuern Zeiten mehrere Poeten gesehen
haben) nicht etwas eingeben möchten, das wenigstens einigermaßen werth
wäre, Dir zugeschickt zu werden. Umsonst! Die gestrenge Themis ( die
Göttin der Gerechtigkeit) verjagt mit ihrem großen Schwerde alle
eleganteren Gottheiten. Übrigens wäre es jetzt hier stille genug, um das
ruhigste und gesetzteste Lehrgedicht ausarbeiten zu können. Der
Neuenbau ist leer,
Die Klöster sind
ausgenommene Nester,
Tübingen ist worden zu einem Trübingen,
Der Ammerhof zu einem Jammerhof,
Lustenau zu einem Schmerzenau.
Bei Dir wird es anders
sein, Du hast sehr angenehme Gesellschaft, z. B. den Frieden Gottes,
welcher höher ist denn alle Vernunft. Ueberdies wirst Du genug zu lesen
haben ( diesen Augenblick sieht mir mein kleines Bäschen ins Papier und
lässt Dich grüßen ) an all den Almanachen, die Du mit Deinen Beiträgen
beehrt hast. So hörte ich, dass Du Mitarbeiter am Frankfurter
Frauenzimmeralmanach seyest.
Dieser Almanach
erscheint, so viel ich mich erinnere, in Maroquin gebunden, mit Spiegel,
Schere, Zahnstocher, Ohrlöffel u. s. w. ausstaffirt.
Da er vielleicht überdies
auch prosaische und poetische Aufsätze enthält, so bin ich sehr
begierig, zu erfahren, in was eigentlich Deine Beiträge bestehen. –
Ich werde vielleicht Mittwoch oder Donnerstag durch Ludwigsburg
passieren, um nach Brackenheim zu gehen. Da Du, wie Du mir sagtest,
Deinen Schwager in der Nähe von Brackenheim besuchen willst, so könnten
wir ja wieder zusammen gehen. Lasse Dich aber durch diesen ungereiften
Plan von nichts abhalten.
Deine Lieder haben mich
sehr gefreut, besonders das Nächtliche.. Es hüllte mich in einen
romantischen Duft wie ein glänzender Staubregen. Von mir erhältst Du
einige Verse die ich Meyer ins Stammbuch schrieb. Das Lied auf der
Kehrseite, das Du schon gelesen, war ursprünglich nicht für Dich
hingeschrieben. Ich suche diesen ganzen Morgen auf der Gasse, um auch
einige Gedichte zu finden, aber vergebens, denn am gestrigen Samstag
wurden alle Straßen gekehrt und gesäubert. Für die Notizen über Novalis
dank’ ich Dir sehr. Es ist viel Schönes darin.
Welch herrliches
Herbstwetter !
Es ist als riefe der Gott
des Jahres aus zu: „ Kommt herbei, die ihr nicht genossen des Frühlings,
des Sommers arkadischer Freuden, denen umsonst die Bäume geblüht, die
Rosen geduftet. Die Halle meiner Freude soll nicht ganz verschlossen
werden, bevor auch ihr euren Theil davongetragen. Noch einmal schlage’
ich auf meinen blauen Himmel. Noch einmal laß’ ich meine Sonne herrlich
leuchten. Meine Trauben sind reif, mein Weingarten geöffnet. Eilet
heran! Die Zeit ist kostbar. Ersetzet, was ihr versäumet! Die ihr im mai
nicht von Liebe gesprochen, sprechet jetzt!
Auch euer Liebchen ruf’
ich noch einmal in den Garten. Mädchen und Jünglinge! Lebe und liebet!“
Vale
L. U.
Der letzte Brief
.... [Der Winterkälte ungeachtet ließ sich Uhland nicht abhalten, der
Beerdigung in Weinsberg anzuwohnen; er und Freund Mayer machten die
Reise dahin zusammen. Es war ihm nach der Zurückkunft kein Unwohlsein
anzufühlen, und wenige Tage nach der Zurückkunft begleitete er in
Tübingen nochmals einen Jugendgenossen und Schulkameraden, den Profector
Bauer, zu seiner letzten Ruhestätte. Zwei Tage darauf fühlte er sich
heiser, klagte aber nicht weiter darüber. An diesem Tage schrieb er den
letzten Brief mit eigener Hand ]
Uhland an Karl von Killinger in Karlsruhe
Tübingen, 8. März 1862
„ Theuerster Vetter!
Es war uns eine innig erfreuende Nachricht, die wir von der Verlobung
Deiner Marie mit einem ihrer Achtung und Liebe so würdigen
Lebensgefährten erhalten haben. Die junge Verwandte ist uns persönlich
sehr werth geworden, so daß wir diesen ihren wichtigen Schritt mit den
theilnehmendsten Glückwünschen begleiten. Hoffentlich gebt Ihr uns bald
einmal durch freundlichen Besuch Gelegenheit, Euch in dieser frohen
Erweiterung Eures Kreises wiederzusehen.
Die neueste Zeit hat mir freilich auch Trauriges bereitet. Zum
Jahresschluß stand ich am sarge meines treuen Freundes und Schwagers
Roser, in vorletzter Woche warf ich die Scholle in das Grab Kerners, den
ich jährlich in Weinsberg heimzusuchen pflegte, und eben noch in diesen
Tagen gab ich einem hiesigen Schulkameraden, Profector Baur, das letzte
Geleit. So bringt es das vorgerückte Alter mit sich; da leuchten aber
auch wieder die hellen Glückessterne herein, die über den Häuptern eines
jüngeren befreundeten Geschlechtes aufgehen.
Dir und den Deinigen unsere herzlichsten Grüße.
Dein treu ergebener
L. U.
Literatur; 1.Ludwig Uhlans Leben Aus dessen
Nachlaß und aus eigener Erinnerung zusammengestellt von seiner Witwe
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1874
2.Jugendbriefe
berühmter Männer / Ausgewählt und eingeleitet von Dr. Joh. Rohr / Verlag
" Die Buchgemeinde" 1924