BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 

UHLAND LUDWIG

1787 - 1862

 

Ludwig Uhland ist in Tübingen geboren. Dort studierte er dann auch Jura und Philologie, und dort war er später Professor an der Universität. Der von uns gebrachte Brief des neunzehnjährigen stammt aus jenem glücklichen Kreis von dichtenden und schwärmenden, für die deutsche Vergangenheit begeisterten Jünglingen, jenem Kreis, dem auch Justinus Kerner angehörte. An Kerner ist er auch gerichtet. Es ist in den Sommerferien, die Freunde sind in der Heimat, Uhland verlassen. Der Neuenbau, Kerners und anderer Freunde Wohnung, steht leer, desgleichen die beiden ehemaligen Klöster, jetzt Stätten akademischer Arbeit, und die beiden Ausflugstätten der jungen Dichter: der Ammerhof und das Dorf Luftnau. Kerner, so denkt Uhland, wird sich zwar leicht trösten über seine Abwesenheit: der Frieden Gottes ist ja bei ihm -  womit auf Kerners Braut Friederike angespielt wird. Es ist ein Sonntagsbrief voll Freude und Sonnenglanz. Frisch – fröhliche Spott über des Freundes Almanachlyrik, der an die Kapuzinerpredigt aus Wallensteins Lager anklingt, schmückt es, und den Schluß macht eine dithyrambische Verehrung des Herbstes – ein echter Dichterbrief.

 

  

Tübingen, Sonnt. d. 4. Oktober 1807

 

Ehrbarer, guter Freund !

Zwei Briefe machen wenigstens Eine Antwort zur Pflicht.
 Dietz ist bei den Deinigen um so mehr der Fall, da Dein zweiter eine Frage enthält: Warum ich nicht schreibe? Aber wie war es mir möglich, einen Brief zu beantworten, aus dem von allen Seiten Witz und Poesie hervorquillt, wie der Saft aus einem guten Schweizerkäse? Ich erwarte daher immer, ob mir die Musen ( aus den heidnischen Götterlehre bekannt als Töchter Jupiters und der Mnemosyne, sie lebten zu den Zeiten Homers u. a. , ja es wollten sie noch in neuern Zeiten mehrere Poeten gesehen haben) nicht etwas eingeben  möchten, das wenigstens einigermaßen werth wäre, Dir zugeschickt zu werden. Umsonst! Die gestrenge Themis ( die Göttin der Gerechtigkeit) verjagt mit ihrem großen  Schwerde alle eleganteren Gottheiten. Übrigens wäre es jetzt hier stille genug, um das ruhigste und gesetzteste Lehrgedicht ausarbeiten zu können.  Der Neuenbau ist leer,

 

Die Klöster sind ausgenommene Nester,
Tübingen ist worden zu einem Trübingen,
Der Ammerhof zu einem Jammerhof,
Lustenau zu einem Schmerzenau.

 

Bei Dir wird es anders sein, Du hast sehr angenehme Gesellschaft, z. B. den Frieden Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft. Ueberdies wirst Du genug zu lesen haben ( diesen Augenblick sieht mir mein kleines Bäschen ins Papier und lässt Dich grüßen ) an all den Almanachen, die Du mit Deinen Beiträgen beehrt hast.  So hörte ich, dass Du Mitarbeiter am Frankfurter Frauenzimmeralmanach seyest.

 Dieser Almanach erscheint, so viel ich mich erinnere, in Maroquin gebunden, mit Spiegel, Schere, Zahnstocher, Ohrlöffel u. s. w. ausstaffirt.

Da er vielleicht überdies auch prosaische und poetische Aufsätze enthält, so bin ich sehr begierig, zu erfahren, in was eigentlich Deine Beiträge bestehen. –  Ich werde vielleicht Mittwoch oder Donnerstag durch Ludwigsburg passieren, um nach Brackenheim zu gehen. Da Du, wie Du mir sagtest, Deinen Schwager in der Nähe von Brackenheim besuchen willst, so könnten wir ja wieder zusammen gehen. Lasse Dich aber durch diesen ungereiften Plan von nichts abhalten.

Deine Lieder haben mich sehr gefreut, besonders das Nächtliche.. Es hüllte mich in einen romantischen Duft wie ein glänzender Staubregen. Von mir erhältst Du einige Verse die ich Meyer ins Stammbuch schrieb. Das Lied auf der Kehrseite, das Du schon gelesen, war ursprünglich nicht für Dich hingeschrieben. Ich suche diesen ganzen Morgen auf der Gasse, um auch einige Gedichte zu finden, aber vergebens, denn am gestrigen Samstag wurden alle Straßen gekehrt und gesäubert. Für die Notizen über Novalis dank’ ich Dir sehr. Es ist viel Schönes darin.

Welch herrliches Herbstwetter !

Es ist als  riefe der Gott des Jahres aus zu: „ Kommt herbei, die ihr nicht genossen des Frühlings, des Sommers arkadischer Freuden, denen umsonst die Bäume geblüht, die Rosen geduftet. Die Halle meiner Freude soll nicht ganz verschlossen werden, bevor auch ihr euren Theil davongetragen. Noch einmal  schlage’ ich auf meinen blauen Himmel. Noch einmal laß’ ich meine Sonne herrlich leuchten. Meine Trauben sind reif, mein Weingarten geöffnet. Eilet heran! Die Zeit ist kostbar. Ersetzet, was ihr versäumet! Die ihr im mai nicht von Liebe gesprochen, sprechet jetzt!

Auch euer Liebchen ruf’ ich noch einmal in den Garten. Mädchen und Jünglinge! Lebe und liebet!“

Vale

L. U.

Der letzte Brief

.... [Der Winterkälte ungeachtet ließ sich Uhland nicht abhalten, der Beerdigung in Weinsberg anzuwohnen; er und Freund Mayer machten die Reise dahin zusammen. Es war ihm nach der Zurückkunft kein Unwohlsein anzufühlen, und wenige Tage nach der Zurückkunft begleitete er in Tübingen nochmals einen Jugendgenossen und Schulkameraden, den Profector Bauer, zu seiner letzten Ruhestätte. Zwei Tage darauf fühlte er sich heiser, klagte aber nicht weiter darüber. An diesem Tage schrieb er den letzten Brief mit eigener Hand ]


Uhland an Karl von Killinger in Karlsruhe


Tübingen, 8. März 1862

„ Theuerster Vetter!

Es war uns eine innig erfreuende Nachricht, die wir von der Verlobung Deiner Marie mit einem ihrer Achtung und Liebe so würdigen Lebensgefährten erhalten haben. Die junge Verwandte ist uns persönlich sehr werth geworden, so daß wir diesen ihren wichtigen Schritt mit den theilnehmendsten Glückwünschen begleiten. Hoffentlich gebt Ihr uns bald einmal durch freundlichen Besuch Gelegenheit, Euch in dieser frohen Erweiterung Eures Kreises wiederzusehen.
Die neueste Zeit hat mir freilich auch Trauriges bereitet. Zum Jahresschluß stand ich am sarge meines treuen Freundes und Schwagers Roser, in vorletzter Woche warf ich die Scholle in das Grab Kerners, den ich jährlich in Weinsberg heimzusuchen pflegte, und eben noch in diesen Tagen gab ich einem hiesigen Schulkameraden, Profector Baur, das letzte Geleit. So bringt es das vorgerückte Alter mit sich; da leuchten aber auch wieder die hellen Glückessterne herein, die über den Häuptern eines jüngeren befreundeten Geschlechtes aufgehen.
Dir und den Deinigen unsere herzlichsten Grüße.
Dein treu ergebener
L. U.



Literatur; 1.Ludwig Uhlans Leben Aus dessen Nachlaß und aus eigener Erinnerung zusammengestellt von seiner Witwe
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1874
2.Jugendbriefe  berühmter Männer / Ausgewählt und eingeleitet von Dr. Joh. Rohr / Verlag " Die Buchgemeinde" 1924
 


 

Startseite
Verzeichnis