Villers Alexander von
1812 - 1880
Wie alle großen Briefkünstler schreibt Willers bis zum letzten Atemzug. Sein
letzter Brief strahlt von derselben Anmut wie der erste. Ein Plauderbrief aus
tiefer Einsamkeit an eine Freundin aus der großen Welt. Österreichisch in der
Färbung. Dem Tode gegenüber scheinbar spielerisch - in Wahrheit voller Ahnung,
die von Ironie betäubt wird.
Er spöttelt über seinen Nachruhm - ahnt nicht, daß 30 Jahre später eine Gemeinde
ihm erwachsen wird, der seine Eigenart ein Unersetzliches bedeutet. Ein
Herzschlag riß ihn weg: am 16. Februar 1880.
Wiesenhaus 12. Februar 1880
Danke sehr, liebe Gräfin, für Ihre guten Wünsche und Einladung. Möchte selbst
sehr gerne und bald und für lange kommen. Jetzt gehts mir besser und will nur
noch ein wenig abwarten. Es ist weiter nichts als unbequem. Vor fünfzig Jahren
war ich noch ganz frisch und jung, und jetzt auf einmal - es ist sehr
merkwürdig! Wenn ich wieder auf die Welt kommen sollte, habe ich mir
vorgenommen, als Jahrhundert zu kommen. Erstens wird man dann berühmt, kommt in
die Geschichte, man erlebt eine Menge silberne und goldene Hochzeiten,
Schlachten, Mitcontracte, Schauspielerjubiläums, Wohttätigkeitsbazars,
Überschwemmungskotillons und andere Unglücksvergnügungen und schließlich wird
man wenigstens neunundneunzig Jahre alt.
Als Jahrhundert kann man auch anstellen, was man will, es geschieht einem
nichts; nie ist ein Jahrhundert eingesperrt worden, und noch nie ist eins
gehängt worden. Nun, sehen Sie z. B. unser Jahrhundert an, es hat gekracht, daß
alles krachte, hat eine Menge gute Freunde schändlich ums Leben gebracht,
versteht gar nichts vom Landbau und kann nicht einmal den Weizen in St. Miklosz
ordentlich ausreifen lassen; aber jedesmal an seinem Geburtstag, wenn die Leute
einen Strauchen haben, daß man nicht begreift, warum der Mensch aus etwas
anderem besteht als aus einer Nase und einem Sacktuch, freuen Sie sich,
gratulieren einander und geben dem Hausmeister ein Trinkgeld.
Und ist das schändliche Jahrhundert erst tot, dann heißts gar die gute alte
Zeit. Niemand wird sagen: Ja, der gute alte Wille, das war ein Kerl! Konnt er
schön tanzen, und was er für gute Zigarren geraucht hat; er ritt nicht im
Prater, ging in kein Theater, war unverheiratet und hatte nicht einmal Kinder,
kurz gar kein Laster.
Wo kriegen wir wieder einen Wille her, ich will einen Wille haben, und sollt er
mich tausend Gulden kosten!
Niemand wird das sagen nur die Teine, denn die verstehts.
Aber vom neunzehnten Jahrhundert werden sie reden und ein Aufhebens machen noch
in tausend Jahren. Wenns auch nicht wahr wär, man wird doch immer sagen; die
gute alte Zeit.
Sagen Sie auch: der gute Alte
Wille
Literatur; Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld
& Co Verlag Berlin 1919