Wagner Richard
1813 - 1883
Am 13. Februar 1883 ist der Himmel grau in Venedig. Es regnet ununterbrochen.
Wagner haßt Regen. Fühlt sich verstimmt. " Heute muß ich mich in acht nehmen,"
sagt er zu seinem Diener.
Der Vormittag vergeht in Arbeit. Er schreibt: " Über das Weibliche im Menschen".
- Plötzlich reißt ihm ein Krampf am Herzen. Stärker als sonst. Er klingelt: "
meine Frau - der Doktor" - Einige Minuten darauf ist Wagner tot! -
" Kinderchen bleibt doch noch" hatte er am letzten Abend gesagt, als sich seine
Familie ermüdet zurückziehen wollte. Der 70 jährige starb als ein Junger. Seine
Lebenskraft schien ungebrochen. Ahnung des Todes war ihm fern.
Venedig, 11. Februar 1883.
Geehrter Freund und Gönner !
Habe Sie meinen Brief nach Amsterdam erhalten? Ich beantworte damit Ihre Fragen.
Seitdem ist mir nichts übrig geblieben, als Ihre rastlose Tätigkeit zu verfolgen
und einigermaßen mir vorzustellen, wann Sie sich endlich einmal ausruhen wollen?
Im März wollen Sie nach Prag und Pest? So las ich in der Zeitung. Was weiter?
Hatten Sie wirklich Venedig im Sinne? Das wäre eine unglückliche Idee gewesen.
Hier herrscht jetzt nichts als " Revanche für Oberdank".
Germanen und Slaven - das geht; nur nicht Lateiner und Romanen. Belgien ist gut
gemischt, ein Halbvolk vlämisch u. s. w. In Paris werden - oder würden Sie was
Schönes erfahren. Rußland - Stockholm - Kopenhagen - am Ende auch Ungarn - Alles
gut. Gern hätte ich einmal mit Ihnen geplaudert. Gewiß wird es Ihnen aber so
bunt im Kopfe sein, daß Sie sich auf nichts von Ihren Fahrten mehr recht
besinnen. Von Brüssel hatten wir durch Mad. Tardien sehr genaue Berichte. Seidl
freut mich sehr. Jetzt nehmen Sie alle Segen des Himmels dahin, und dazu meine
herzlichsten Grüße, von denen ich Sie bitte, nach Verdienst weiter zu verteilen.
Venedig, Palazzo Vendramin Catargi 11. Februar 1883
Ihr ergebener
Richard Wagner
Literatur; Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei
Oesterheld & Co Verlag Berlin 1919