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H. CH. ANDERSEN
1805 - 1875
DER SCHMETTERLING |
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Der Schmetterling wollte sich eine Braut suchen, natürlich wollte er
eine hübsche, kleine unter den Blumen haben. Er sah sich sie an; sie
saßen alle so still und besinnlich auf ihrem Stengel, wie eine Jungfrau
es tun muß, wenn sie nicht verlobt ist; aber hier war eine so reiche
Auswahl, das würde große Mühe machen, dazu hatte der Schmetterling keine
Lust, und so flog er zur Gänseblume. Die nennen die Franzosen Margrethe,
sie wissen, sie kann weissagen, und das tut sie, wenn Verliebte ihr
Blatt für Blatt auszupfen und bei jedem eine
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Frage nach dem Liebsten stellen: " Vom Herzen? - Mit
Schmerzen? - Über alle Maßen? Klein wenig?
- Fast gar nicht " oder so ähnlich. Jeder fragt in seiner Sprache. Der
Schmetterling kam auch, um zu fragen; er zupfte die Blättchen nicht ab,
sondern küßte jedes einzelne, da er der Ansicht war, daß man im Guten am
weitesten komme.
" Liebste Margrethe Gänseblume, sagte er; " Sie sind die klügste Frau
unter allen Blumen!
Sie verstehen es weissagen.
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Sagen sie mir, kriege ich die oder die? Und wen kriege ich? Und wenn ich
es weiß, kann ich einfach hinfliegen und um ihre Hand anhalten! ". Aber
Margrethe antwortete gar nicht. Sie mochte es nicht, daß man sie " Frau
" nannte, denn sie war eine Jungfrau, und dann ist man keine Frau.
Er fragte ein zweites Mal, und er fragte ein drittes Mal, und da er kein
Wort aus ihr herausbekam, hatte er keine Lust mehr noch weiterzufragen,
sondern flog mir nichts dir nichts zum Freien.
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Es war im Vorfrühling; es gab Schneeglöckchen
und Krokus in Mengen. " Die sind sehr hübsch" sagte der Schmetterling, "
niedliche kleine Konfrmanden" aber ein wenig zu grün".
Er schaute wie alle jungen Männer nach älteren Mädchen aus.
Nun flog er zu den Anemonen , die waren ihm etwas zu herbe: die Veilchen
etwas zu verschwärmt, die Tulpen zu bürgerlich ; die Lindenblühten
zu klein, und sie hatten so viele Verwandte; die Alpenblüten sahen ja
allerdings aus wie Rosen aber sie
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blühen heute und
fielen morgen ab, je nachdem wie windig es war, die Ehe würde zu kurz
sein, fand er. Die Erbsenblüte gefiel ihm noch am ehesten, sie war
rein und fein, gehörte zu den häuslichen Mägdelein, die gut aussehen
und doch und doch in der Küche bewandert sind; er wollte gerade um ihre
Hand anhalten, da sah er im selben Augenblick dicht daneben eine Schote
mit einer welken Blüte an der Spitze hängen. „ Wer ist das?“ fragte er.
„ Das ist meine Schwester, sagte die Erbsenblüte!“
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" Aha, so werden sie später aussehen!" Das erschreckte den
Schmetterling und so flog er davon.
Die Kaprifolien hingen über den Zaun; da gab es eine Menge von
diesen Fräulein mit langen Gesichtern und gelber haut; dergleichen
liebte er nicht. Ja, was liebte er denn? Fragt ihn. Der
Frühling verging, der Sommer verging, und nun war es Herbst; er
war noch nicht weitergekommen.
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Und die Blumen
erschienen in den schönsten Kleidern, aber was nützte das schon, der
frische , duftende Jugendsinn war nicht mehr. Und Duft braucht das Herz
gerade mit zunehmendem Alter, und Duft gibt es nicht allzu viel bei
Georginien und Malven. Da wandte sich der Schmetterling der
Krauseminze.
„ Die hat zwar gar keine Blüte, sondern ist ganz und gar Blüte, duftet
von der Wurzel bis zur Spitze, hat Blütenduft in jedem Blatt.
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„ Die nehme ich!“
Und nun machte er endlich einen Eintrag. Aber die Krauseminze stand
starr und still, und zuletzt sagte sie: „ Freundschaft, aber mehr auch
nicht! Ich bin alt, und sie sind alt! Wir können sehr gut füreinander
leben, aber heiraten – nein! Wir wollen uns in unseren hohen Alter doch
nicht lächerlich machen!“
Und so bekam der Schmetterling gar keine. Er hatte zu lange gesucht und
das darf man nicht tun.
Der Schmetterling
wurde ein Hagestolz, wie man es nennt.
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Spätherbst war es, mit Regen und Wind, der fuhr den alten Weiden kalt
am Rücken hinunter, so dass es in ihnen ächzte. Es war nicht gesund in
Sommerkleidern umherzufliegen, da würde man die Liebe zu spüren
bekommen, wie es heißt, aber der Schmetterling flog nun auch nicht
draußen umher; er war zufällig unter Dach gekommen, wo der Ofen geheizt
war, ja hier war es ganz sommerlich warm; er konnte leben. „ Aber
leben allein genügt nicht!“ sagte er „ Sonnenschein, Freiheit, und
eine kleine Blume muß man haben.
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Und er flog gegen die
Fensterscheibe , wurde gesehen, bewundert und auf eine Nadel gespießt
in den Raritätenkasten gelegt, mehr konnte man für ihn nicht tun. „Nun
sitze ich auch auf dem Stengel, genau wie die Blumen!“ sagte der
Schmetterling „ sehr angenehm ist es jedoch nicht !„ Es ist sicher so,
wie wenn man verheiratet ist, man sitzt fest!“ und damit tröstete er
sich dann. „ Es ist ein schlechter Trost!“ sagten die Topfblumen in der
Stube.
„ Aber den Topfblumen kann man nicht so recht glauben“ , meinte der
Schmetterling, sie kommen zu viel mit Menschen zusammen.
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